Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Wider die rote Umerziehung durch den Beuteldeal, endlich „AfD-Ramadan“ und sehr höfliche Muslime. Außerdem: Es geht auch ohne Tüte.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Jede Menge Radau um den AfD-Parteitag.
Und was wird besser in dieser?
Gepöbel-Fasten, Stichwort „AfD-Ramadan“.
Die Plastiktüte soll ab Sommer teurer werden. Bislang kaufen EU-Bürger 100 Milliarden Plastiktüten pro Jahr. Wie viele davon sind von Ihnen, oder laufen Sie längst mit Joy-Division-Stoffbeutel rum?
Kommt gar nicht in die Tüte. Je nach Sponsor beweisen Studien, dass auch Maisstärke-Ökotüte, Papiersack und Textilbeutel schlimm umweltböse seien. Allen gemein ist auch die Unlust am Rückweg, und da könnte man angreifen: Der Bundesbürger kauft rund 70 Plastebeutel im Jahr, von denen gefühlte 69 im Müll landen. Gebrauchte Plastiktüten an der Haustür abholen und zum halben Preis am Supermarkteingang anbieten – Geschäftsidee gratis hier mal wieder nur für aufgeweckte Start-upper in ihrem Zentralorgan taz. Faszinierend: Wenn man sonst schon nix in die Tüte tut, kann man sie immer noch ideologisch aufladen. Die FAZ etwa erkennt „rote Umerziehung“ in Hendricks Beuteldeal. Was dran erinnert, dass 17 Millionen DDR-Bürger unbetütet überlebten. Manche erzählen, man sei von der Vopo angehalten worden, Westbeutebeutel umgekrempelt zu tragen, damit keine Imperialistenwerbung das Auge beleidigte. Die DDR musste scheitern.
Apropos Welt retten. Künftig zahlt der Staat 4.000 Euro Prämie für die Anschaffung eines E-Autos. Nur: Was macht der Deutsche, wenn er nach acht Stunden Akkuverbrauch nur noch 150 fahren kann?
In den Tank lachen. Der Deal „Staat und Hersteller teilen sich die Prämie“ ist reine Comedy. Der Hersteller kloppt 2.000 Euro auf den Listenpreis drauf, rechnet sie beim Verkauf als Ökogeschenk raus und erzielt exakt den gleichen Preis wie vorher – der Steuerzahler dagegen latzt. Großbritannien und Frankreich reichen bis zu fünfstellige Prämien aus, mäßiger Effekt. Norwegen dagegen erlässt Zulassungsgebühr und Steuer, man darf auf der Busspur rumbrettern, gratis aufladen und rumparken. Das Konzept ist so erfolgreich, dass Kritiker mahnen: So werden wir die verstopften Städte nie zu einem schöneren Ort machen. Vulgo: Summ-summ statt brummbrumm ist auch kein Paradies.
Die SINUS-Jugendstudie zeigt: Die Jugend ist so lasch wie nie. Kein Bock auf Rebellion, alle wünschen sich eine „bürgerliche Normalbiografie“.
Warum sollen die Revolution machen, wenn sie Insassen einer Revolution sind? „Die Jugend“ habe eine emotionale Beziehung zu ihrem Smartphone, keine zu nationalen Symbolen und ansonsten eher liberale Ansichten. Immerhin reden wir über eine Befragung von 70 Jugendlichen – soweit das empirisch belastbar ist, kommt dabei heraus, dass die genug damit zu tun haben, herkömmliches Leben in digitalisiertes Dasein zu übertragen.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs muss die VG Wort nur noch direkt an die Urheber von Texten zahlen, vorher teilten Verlag und Autor 50:50. Ein Grund zum Jubeln?
Die typischen Verlagsaufgaben von Druck, Vertrieb, Werbung bis hin zu Autorenbetreuung sind desto mühseliger, je kleiner der Verlag ist. Und für kleine Verlage ist das Zubrot von der VG Wort wesentlich. Nur: Urgehoben wird da mal gar nichts. Bei großzügiger Auslegung – oder schlechten Autoren – mögen Lektor und Lektorin heimliche Koautoren sein. Ob ein Text kopiert, herumgemailt, im Unterricht ausgeteilt oder sonst wie verfielfältigt wird, hängt von der Urheberleistung ab. Will man den Verlagen Gutes tun, wird man nach dem Staat rufen. Oder Amazon erschießen.
Volker Kauder fordert, Moscheen zu überwachen. Meint er das ernst?
Kauder räumt im Nebensatz die CSU-Forderung nach „Predigten in Deutsch halten“ ab. Das wäre immerhin eine Zwangslutherisierung der katholischsten aller Parteien und damit angemessen irrsinnig für den aktuellen Diskurs. Andererseits hätte Kauder schon reichlich zu tun, wenn der Staat seine Aufsichtspflicht über Religionsunterricht, Pfaffen in der Schule, päpstlich auserlesene Theologie-Professoren und immer wieder gern: die Kirchensteuer zur Debatte stellte. Eigentlich finde ich die Muslime ziemlich höflich, die Widersprüche der deutschen Säkularisierung nicht zu geißeln.
Und was machen die Borussen ?
Pfeifen. Erst mal. Manche. Vermutlich einige darunter, die morgen weg wären, wenn es einen besser bezahlten Job gäbe. Der Vereinsboss hat sie exkommuniziert, das seien keine „echten Fans“. Der BVB kommt ins Nirwana, wo die Leute wohnen, die seinen Claim „Echte Liebe“ glauben und dafür Eintritt zahlen.
FRAGEN: GJO
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“