: Ein Salafisten-Streit und Hunderte Polizisten
RAZZIA In Bremen ist offenbar ein Disput über die Auslegung des Korans eskaliert, am Ende sollten zwei Männer getötet werden. Diesem anonymen Hinweis ist die Polizei mit einem Großeinsatz nachgegangen
Ein Streit über die Auslegung des Korans unter Salafisten hat in Bremen einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst. Mehr als 200 Polizisten aus Bremen, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein durchsuchten am Dienstag mehrere Wohnungen und Geschäfte in Bremen, nachdem Hinweise eingegangen waren, dass zwei Menschen getötet werden sollten.
Die Ermittler stellten die Identität von neun Verdächtigen fest, ließen sie aber wieder laufen. Für einen Haftbefehl reichten die Beweise nicht, sagte Staatsanwältin Petra Meyer. Nach ersten Ermittlungen sollen im Zusammenhang mit dem Streit Ende der vergangenen Woche bereits zwei Salafisten verletzt worden sein. Ob es sich um dieselben handelt, die auch getötet werden sollten, konnte die Staatsanwaltschaft bisher nicht sagen.
Die Ermittler hoffen, dass die beschlagnahmten Handys und Computer weitere Erkenntnisse bringen werden. Bei der Razzia stellten die Beamten außerdem Schreckschusswaffen, einen Elektroschocker, ein Messer und ein Beil sicher.
Drei Tage vor den Durchsuchungen hatte die Polizei den anonymen Hinweis erhalten, dass zwei Salafisten, die eine andere Auffassung vom Koran und dem Leben im Islam hätten als die Beschuldigten, getötet werden sollen. Die Ermittler konnten einen Zeugen ausfindig machen. Die auf seinem Handy gespeicherten Nachrichten bestätigten den Verdacht.
Einer der Verdächtigen ist ein erst vor Kurzem aus der Haft entlassener Salafist. Er ist Mitbegründer des im Dezember 2014 verbotenen Kultur + Familien Vereins (KUF). Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte den KUF damals mit dem Verweis auf die extremistische Ausrichtung der Anhänger und Unterstützer aufgelöst. Unter anderem reisten einige von ihnen nach Syrien oder in den Irak, um sich der Terrormiliz „Islamischer Staat“ anzuschließen oder für diese zu kämpfen. Sechs von ihnen wurden bei Kämpfen in Syrien getötet. Nach dem Verbot unterwanderten ehemalige KUF-Mitglieder den Islamischen Förderverein Bremen. Mäurer ließ diesen Verein im vergangenen Februar dann ebenfalls verbieten.
Der Verfassungsschutz beziffert die Zahl der Salafisten bundesweit auf schätzungsweise 8.650, in Bremen sollen es rund 360 sein. Die Anhänger der extrem konservativen islamistischen Strömung verfolgen das Ziel, einen Gottesstaat zu errichten. Sie sehen sich als Vertreter eines ursprünglichen Islams und richten ihr Leben strikt am Koran aus. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen