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Deutsche WaffenexporteErst Grimme-Preis, jetzt Staatsanwalt

Überraschung in Stuttgart: Behörden in Süddeutschland ermitteln gegen Journalisten, die fragwürdige Waffengeschäfte aufgedeckt haben.

Die beschuldigten Journalisten hatten über Waffenexporte nach Mexiko berichtet: Handfeuerwaffen mexikanischer Grenzschützer Foto: reuters

Berlin taz | Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten eingeleitet, die an der Aufdeckung illegaler Waffenexporte deutscher Rüstungsfirmen nach Mexiko beteiligt waren. Das bestätigte Behördensprecher Jan Holzner der taz. Die Strafverfolger werfen den Journalisten vor, Geheimnisse verraten und gegen das Pressegesetz verstoßen zu haben.

Betroffen sind Autoren der ARD-Dokumentation „Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam“ sowie des Buchs „Netzwerk des Todes“. Das Gesamtprojekt, zu dem taz-Recherchen beigetragen haben, wurde mit dem Grimme-Preis für besondere journalistische Leistungen ausgezeichnet.

Die Beiträge beschäftigen sich mit der Lieferung von Gewehren der Waffenschmiede Heckler & Koch (H & K) in mexikanische Bundesstaaten, für die keine Genehmigungen vorlagen. Sie dokumentierten auch interne Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) und des Bundesausfuhramts (Bafa), die auf eine strafrechtlich fragwürdige Kooperation der beiden Behörden mit den Waffenbauern hinweisen.

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob die Publikation der Dokumente widerrechtlich ist, weil diese zu den Ermittlungsakten im Strafverfahren gegen H & K zählten.

Stuttgarter Staatsanwalt Peter Vobiller in der Kritik

„Es ist unsere Pflicht und Aufgabe, die Informationen zu veröffentlichen“, sagt Filmemacher Daniel Harrich als Reaktion auf die Ermittlungen gegen ihn und mindestens vier weitere Personen. Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin kritisiert den Stuttgarter Staatsanwalt Peter Vobiller.

Dieser hat das Verfahren eingeleitet, das inzwischen von der Münchner Staatsanwaltschaft übernommen wurde. „Vobiller weigert sich, Schritte gegen BMWi und Bafa einzuleiten, und verfolgt jene, die den Rechtsstaat verteidigen, indem sie illegale Waffenexporte aufdecken“, kritisiert der Pazifist, durch dessen Anzeige im Jahr 2010 der Mexiko-Deal von H & K strafrechtlich verfolgt wurde.

Ein Anwalt vermutet, dass die Ermittler von Fehlern ablenken wollen

Erst fünf Jahre nach der Anzeige erhoben die Strafverfolger Anklage gegen sechs ehemalige Mitarbeiter der Firma. Sie sollen „gewerbsmäßig und als Bande“ vorsätzlich illegal Kriegswaffen ausgeführt haben. Für mutmaßliche Mittäter in den Behörden hatte der Fall aber bisher keine juristischen Konsequenzen. Dabei deutet vieles darauf hin, dass sich Beamte widerrechtlich für Interessen von Heckler & Koch starkgemacht haben.

„Warum braucht ein Staatsanwalt einerseits fünfeinhalb Jahre, um Anklage gegen ein Rüstungsunternehmen zu erheben, und versucht andererseits, innerhalb kürzester Zeit mit enormem Aufwand ein Strafverfahren wegen eines Films herbeizuziehen?,“ fragt Grässlins Anwalt Holger Rothbauer. Der Jurist vermutet, dass die Staatsanwaltschaft von eigenen Fehlern im Verfahren ablenken will.

Wolf-Dieter Vogel hat für die ARD-Dokumentation „Tödliche Exporte“ Recherchen aus Mexiko zugeliefert, er hat auch für die taz wiederholt über die Exporte von Heckler & Koch berichtet. An den Recherchen in Deutschland, deretwegen die Staatsanwaltschaft ermittelt, war er nicht beteiligt. Gegen ihn wurde kein Verfahren eingeleitet.

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19 Kommentare

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  • Wenn Deutschland Journalisten vor Gericht bringt, wird das in der Bevölkerung kaum wahrgenommen.



    Wenn jedoch sogenannte Journalisten wegen Terrorpropaganda, Herstellung einer Meinungsbildung FÜR einen Putsch oder Aufstachelung von Minderheiten vor Gericht gestellt werden, redet Deutschland ununterbrochen davon und tun so, als ob die sogenannten Journalisten auf eigene Rechnung arbeiten und nicht für ausländische Nachrichtendienste.

  • Hier muß ich meine TAZ und speziell Herrn Vogel loben: An Heckler & Kochs verbrecherischem Tun seid ihr immer drangeblieben - und KONTEXT hat damals, 2012, als es noch nicht von Staatshörigen übernommen worden war, eine fabelhafte Karte der Rüstungsschmieden um den Bodensee herum veröffentlicht. Es sind diese Dinge, die für mich den Kretschmann-erfolg so hohl klingen lassen: Er kann eigentlich nur regieren, indem er die Rüstungsverbrecher gewähren läßt bzw. direkt unterstützt - anderenfalls hätte er nicht gewonnen bzw. wäre nicht wiedergewählt worden. - Nochmals Dank also an Publizisten und Aktivisten wie Vogel, Grässlin und Harrich. Liebe TAZ: Falls es zum Prozeß kommt, bitte Spendenkonto veröffentlichen!

  • Da war doch mal was?!

    Klar - Weltbühne vom 12. März 1929

     

    Der Weltbühne-Prozess (häufig auch Weltbühnenprozess) war eines der spektakulärsten Strafverfahren gegen militärkritische Presseorgane und Journalisten in der Weimarer Republik.

     

    "…Wegen des brisanten Themas, des heimlichen Aufbaus einer deutschenLuftwaffe, und des mit Anklage und Urteil intendierten Angriffs auf diePressefreiheit erregte der Prozess im In- und Ausland großes Aufsehen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor bundesdeutschen Gerichten scheiterte 1992. Der Prozess gilt als Musterbeispiel politischer Justiz in der Weimarer Republik.…"

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Weltb%C3%BChne-Prozess

     

    kurz - Wie sich die Bilder gleichen!

    & dess nachhaldige Schwabeländle

    Mittenmang dabei! Abgas reicht net!

    Perfide - Waffenschmiede! Hanoi!

    Alles Kretschi - oder was¿!

    Honorige Freunderl hescht! Gell!

  • Wer Kapitalismus, CO2 und Waffen exportiert - wird Flüchtlinge ernten!

    "Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

    Volker Kauder, die rechte Hand der Kanzlerin, ist er der Mann von Heckler & Koch, der tödlichsten Waffenschmiede Europas.

    Volker Kauder - Schutzpatron der Waffenfirma Heckler & Koch

    Volker Kauder, Jahrgang 1949, ist seit 1990 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Rotttweil-Tuttlingen und langjähriger Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. http://www.kontextwochenzeitung.de/politik/128/der-scheinheilige-1720.html

     

    Kontext Wochenzeitung Ausgabe 86 vom 21.11.2012 Bombengeschäft am Bodensee: http://www.kontextwochenzeitung.de/ueberm-kesselrand/86/bombengeschaeft-am-bodensee-906.html

     

    "Der Tod ist ein Meister vom Bodensee" Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure. Mich wundert nicht, dass in Stuttgart der Staatsanwalt so lange braucht. Ein Künstler vom Bodensee, Peter Lenk, hat dazu eine Skulptur geschaffen: Der Bananen Republik Tänzer https://www.dropbox.com/s/txse78p3hz7h6dc/Bildschirmfoto%202016-04-26%20um%2016.28.26.png?dl=0

  • Gerade lese ich auf meinem zweiten

    Screen gute Nachrichten auf SZ-online: ThyssenKrupp liefert keine U-Boote nach Australien.....endlich ,endlich immerwährender Frieden im Südpazifik ....jetzt les ich weiter , kann ja nich sein ... jetzt liefern die Franzosen , so was !

  • Ist das die gleiche Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die so große Mühe hat, die Straftaten von Staatsbediensteten gegen Stuttgart21-Demonstranten zu verfolgen?

    • @B. Wondraschek:

      Jetzt habe ich gedacht, nach der Ära Häusler ginge es mit dem Demokratiebewußtsein aufwärts, in der Stuttgarter StaatsAnwaltschaft.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Selbstreferenzielle Systeme - plus

        Selbstrekrutierung - oder

        Wen wird ein Häussler ein Vorbiller wohl - beginnend bei den Examen & Refis als Prüfer/Ausbilder & später passend Beurteilen/Einstellen/Befördern

        Als solche - " die in die Crew passen!"

        Das wird ja ganz unverhohlen Ausgesprochen - ja Propagiert!

        (& nicht auf StA beschränkt -

        O-Ton VGH Kassel 1978 - Biblothek;)

        "Ja Herr Kollege - man kann sich ja selbst bei 2er-Kandidaten nicht darauf verlassen - daß sie die richtige Gesinnung haben!")

        So geht das!

  • Die westliche Demokratie mag solche Enthüllungen nicht. Gerade heute wird der Prozess gegen den Informanten von Luxleaks begonnen. Snowden wird von der US-Justiz bedroht. Assange muss sich weiterhin in der Botschaft verstecken. Manning sitzt im Knast.

    Dafür werden die Leute freigesprochen, die solch kriminellen Vereinigungen wie der Deutschen Bank vorstanden.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Thomas Ebert:

      So sehen sie aus, die Werte der westlichen Demokratie.

  • Erschlagt den Boten, nicht den Täter!

    .

    Was ist daran neu, diese Reaktionen sind uralt. Das einzige was zu tun ist, ist mMn. so viel Öffentlichkeit&Druck auf zu bauen wie geht!.

    .

    Gruss Sikasuu

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Kann irgendwer mal eine Aufklärung darüber geben, was dieses Szenario von ähnlichen in Russland, Ungarn oder der Türkei unterscheidet?

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Der Unterschied besteht darin, daß sich Deutschland eine Menge daruf einbildet, ein demokratischer Rechtsstaat mit unbeschränkter Pressefreiheit zu sein.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Der Zyniker in mir will antworten, dass mit der Zeit in der bei uns das Strafverfahren eingeleitet worden wäre, die dortigen Journalisten bereits hinter Gittern säßen - der Realist in mir, will zwar dabei anmerken, dass die Welt nun doch etwas komplexer ist, aber diesen wollte ich hier aber nicht antworten lassen...

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Ich denke, es gibt keinen prinzipiellen, aber sicherlich einen graduellen Unterschied.

      Zunächst einmal wird hier im Moment nur ermittelt, es gibt noch keine Verurteilung, keine Untersuchungshaft, kein Verbot das Land zu verlassen, etc. Der fragliche Artikel selbst ist immernoch frei zugänglich. Zum anderen kommen solche Fälle im Vergleich zur Türkei oder Russland nicht sehr häufig vor.

       

      Man muss solche Eingriffe in die Pressefreiheit beobachten und kritisieren, aber die Zustände hier mit Russland gleichzusetzen führt mMn in die Irre.

      • @Lena WC:

        Allein der Fakt, dass ein Staatsanwalt Ermittlungen gegen die Journalisten u ihre Informanten einleitet ist ein Skandal! PUNKT! Das Adverb 'nur' ist in diesem Kontext völlig unangebracht! Selbst der zeitliche Rahmen seit der Veröffentlichung bis dato ist ein Indiz dafür, dass hinter den Kulissen "fleißig" an einer passenden Strategie gearbeitet wurde um die Protagonisten zum Schweigen zu bringen. Gleichzeitig soll ein Exempel statuiert werden. Als Warnung für alle anderen investigativen Whistleblower.

        • @Jürgen Maller:

          Sie wollen also eine Justiz, die Ermittlungen einleitet nicht auf Grundlage von Gesetzen sondern je nach aktueller Sichtweise.

           

          Auch Whistleblower haben sich an Gesetze zu halten - so wie alle anderen auch.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Das Ausmaß unterscheidet sie.

      Die Ermittlungen sind ein Skandal, aber ich bin sicher, dass nichts dabei herauskommen wird, anders als in den genannten Ländern.

       

      Eine Gesellschaft ohne Korruption und Inkompetenz werden wir nicht hinkriegen - nirgends auf der Welt. Solange beides nicht überhand nimmt, kann die Gesellschaft funktionieren.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @1714 (Profil gelöscht):

      Ganz einfach: In Deutschland ermittelt die Staatsanwältin und ein Gericht spricht die Angeklagten frei. In den von Ihnen genannten Staaten werden missliebige Personen erst verprügelt und dann zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt.