Massaker in Mexiko: Heckler & Kochs Mordsgeschäfte
Mitverantwortlich für ein Massaker? Eine Menschenrechtsorganisation will die Waffenschmiede vor einem deutschen Gericht sehen.
Berlin taz | Der blutige Angriff auf Studenten in der mexikanischen Stadt Iguala wird nun auch die deutsche Justiz beschäftigen. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) hat an diesem Donnerstag im Namen eines der Opfer Akteneinsicht in einem Verfahren gegen den Waffenhersteller Heckler & Koch (H&K) beantragt.
„Diese Informationen können den Weg für weitere zivilrechtliche und strafrechtliche Schritte gegen das Unternehmen ebnen“, erklärt Christian Schliemann von der in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisation.
Die Oberndorfer Waffenschmiede muss sich wegen des Verstoßes gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Sie soll illegal Gewehre vom Typ G36 nach Mexiko geliefert haben. Diese Waffen kamen auch bei dem Einsatz gegen die Studenten zum Einsatz. Deshalb soll nun geprüft werden, ob sich H&K der Beihilfe zu schweren Straftaten schuldig gemacht hat.
Am 26. September 2014 griffen Polizisten und Kriminelle gemeinsam die Lehramtsanwärter im Bundesstaat Guerrero an. Sechs Menschen starben, 43 wurden verschleppt. Bis heute ist unklar, was mit den Verschwundenen passiert ist.
Die Akteneinsicht könnte auch die Ermittlungen in Mexiko unterstützen
Aldo Gutiérrez Solano, den das ECCHR im Auftrag seiner Eltern vertritt, wurde von den Schüssen eines Polizisten in den Kopf getroffen. Seither liegt er im Koma. Laut mexikanischen Ermittlungsakten besaß die Polizei von Iguala 56 der deutschen Gewehre, die nie dorthin hätten geliefert werden dürfen. Kriminaltechnische Untersuchungen bestätigen, dass drei davon dort eingesetzt wurden, wo die Beamten auf Gutiérrez geschossen hatten.
Schadenersatzklage und Strafverfahren denkbar
Noch ist nicht bewiesen, dass der junge Mann tatsächlich Opfer von Patronen der G36 geworden ist. Sollte dem so sein, ist sowohl eine Schadenersatzklage als auch ein Strafverfahren wegen der Beihilfe zur schweren Körperverletzung denkbar. Das ECCHR will damit einen Präzedenzfall schaffen.
„Wir wollen deutlich machen, dass Verfahren gegen Rüstungsexporteure nicht allein mit Blick auf das Außenwirtschaftsgesetz geführt werden können, sondern die konkreten Auswirkungen in den Empfängerländern zu berücksichtigen sind“, erklärte Menschenrechtsaktivist Schliemann der taz. So könne den Opfern der Gewaltverbrechen in Deutschland zu Gerechtigkeit verholfen werden.
Die Akteneinsicht könnte auch die Ermittlungen in Mexiko unterstützen. Dort werfen Angehörige der Studenten und Menschenrechtsorganisationen den Behörden vor, Informationen zu vertuschen und die Täter nicht konsequent zu verfolgen.
Auch für die Schüsse auf Gutiérrez sitzt bislang niemand im Gefängnis.
Leser*innenkommentare
36120 (Profil gelöscht)
Gast
HK sollte genauso belangt werden, die der Typ, der dem Attentäter vom Münchner Olympiazentrum die Pistole verkauft hat. Aber hier geht es natürlich um Arbeitsplätze, die so manche Verbrecher vor dem Gesetz ein wenig gleicher machen.
Pfanni
„Noch ist nicht bewiesen, dass der junge Mann tatsächlich Opfer von Patronen der G36 geworden ist“
Der Zweifel ist berechtigt, denn Heckler & Koch ist nur EINER der großen Produzenten von Handfeuerwaffen! Vielleicht noch weiter verbreitet ist die Kalaschnikow aus russischer Produktion! Sie wird gern von linken „Befreiungsbewegungen“ und rechten Terrorbanden gleichermaßen benutzt. Wenn mal wieder irgendwelche Paramilitärs mit ihren Waffen vor den Fernsehkameras herumfuchteln, sind das in aller Regel keine deutschen Waffen, sondern Kalaschnikow-MPi’s! Wie mögen die wohl aus Russland zu den Terroristen gekommen sein?
Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass das Geschoß aus dem Lauf einer Kalaschnikow kam, wird die Kreml-Propaganda das als „Erfindung westlicher Geheimdienste“ bezeichnen – und fertig! Kaum anzunehmen, dass sich die russische Justiz daran die Finger verbrennen würde!
FraMa
HK hat bestimmt Dreck am Stecken, aber die Argumentation ist doch irrwitzig, die konkreten Auswirkungen in den Empfängerländern seien zu berücksichtigen. Übersetzt heißt das wohl: Egal ob die Lieferung legal war oder nicht, sobald die Waffe im Empfangsland in die falschen Hände kommt haftet der Waffenhersteller.
Liefert also die Bundeswehr Waffen an die Peschmerga haftet HK, wenn diese in die Hände der ISIS fallen?
FriedrichH
Danke für den Artikel.
Kleine Korrektur: Projektil nicht Patrone
Thomas Kniep
Endlich mal wieder eine gute Nachricht. Drücken wir den Klägern in diesem notwendigen Verfahren die Daumen.
mowgli
Ja das sollten wir tun. Drücken Sie ruhig sämtliche Daumen, die Sie haben, und ein paar Zehen noch dazu. Sie können jede Menge Glück brauchen, die Kläger, die sich anlegen mit H&K, scheint mir. Das deutsche Strafrecht beruht schließlich im Wesentlichen auf der Pflicht, dem Angeklagten eine ganz konkrete, persönliche Schuld nachzuweisen. Gelingt das nicht, muss Gnade vor Recht gehen. Alles andere würde dem Machtmissbrauch nur weiter Vorschub leisten und direkt zurückführen ins Mittelalter.
In ähnlichen Fällen war es leider bisher immer so, dass die konkrete Verantwortung dafür, dass Waffen "auf Abwege geraten" sind, niemandem nachgewiesen werden konnte. Mitunter sah es fast so aus, als hätten die Gewehre sich selbständig gemacht. Sollte das hier anders sein, würde ich mich freuen. Wahrscheinlicher allerdings ist, dass die H&K-Anwälte behaupten werden, ihre Mandanten hätten a) keine Waffen illegal geliefert und b) keinen Einfluss darauf, wohin die legal belieferten Kunden die Waffen weiterverkaufen.
Diese Leute haben ihre Hände noch jedes Mal in Unschuld bzw. Geld gewaschen. Sie blenden völlig aus, dass Waffen nur einem einzigen Zweck dienen: dem Töten oder doch zumindest der Bedrohung mit dem Tod. Das fällt ihnen in sofern leicht, als die Todesstrafe noch immer ganz fest in den Köpfen vieler Leute steckt. Wer sich der "legitimen Macht" nicht beugen will, muss damit rechnen, hart bestraft zu werden. Auch mit Waffen aus H&K-Produktion.
Gerechtfertigt wird diese (Un-)Sitte dadurch, dass der Mensch als solcher viel lieber sicher ist als frei von fremder Unterjochung – weil er jedem außer sich selbst das Schlimmste zutraut, wenn es "ernst" wird. Denen, die nicht sind wie er, wünscht der gelernte Untertan – wenn schon nicht den sofortigen Tod, dann wenigstens – richtig viel Angst vorm Sterben. Nur wenn der Nachbar noch mehr Angst zweigt als er selber hat, fühlt er sich halbwegs sicher und geborgen. :-((
Sapasapa
@mowgli Ach Mowgli, was kann den Ktom jetzt dafür???