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Krise in den HäfenDas Ende des Handels

Der Weltwirtschaft stagniert: Die Bremsspuren der Globalisierung sorgen für weniger Umschlag an der deutschen Küste

Deutschlands einziger tidefreier Tiefwasserhafen: Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven Foto: Jan Zier

HAMBURG taz | Das Ende ist nah. Also das des weltweiten Handels mit Waren und Rohstoffen. Könnte meinen, wer die sich mehrenden Hiobsbotschaften aus den Häfen Norddeutschlands und aus ganz Nordeuropas hört. Seit Jahren klagt die Branche über die konjunkturelle Flaute, und die Klagelieder werden lauter. Linderung, gar Heilung, ist nicht in Sicht.

2008, als weltweit Banken kollabierten, sah die Hafenwirtschaft keine Krise am Horizont dräuen. 2010 forderte die Marketinggesellschaft des Hamburger Hafens angesichts eines Einbruchs beim Import von Südfrüchten dazu auf, „mehr Bananen zu essen“. 2012 hieß es, die Krise sei schon fast vorbei; 2014, dass sie leider doch noch andauere. Und jetzt singen die ersten Experten Grabgesänge auf die Globalisierung.

Deutschlands größter Hafen, Hamburg, Nummer 3 in Europa, hat seit 2008 rund zwölf Prozent seines Umschlags verloren, zwischenzeitlich war es gar mal doppelt so viel. Bremerhaven, Nummer 2 in Deutschland und in Europa auf Platz 4, stagniert, der neue Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven kommt nicht in die Gänge. So ist es an der gesamten Küste: 2015 wiesen alle deutschen Häfen zusammen ein Umschlagminus von 2,6 Prozent aus, in der Containersparte lag der Rückgang sogar bei 4,6 Prozent, hat das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch errechnet. Die Flaute auf dem Kai reicht von Emden bis Greifswald.

Stillstand herrscht auch bei den großen Konkurrenten in der Nordrange, der Riege der führenden Containerhäfen in Nordwesteuropa. Das französische Le Havre dümpelt auf niedrigem Niveau dahin, Europas zweitgrößter Hafen, Antwerpen in Belgien, hält seinen Rang nur, weil es seinem kleinen Nachbarn Zeebrügge Schiffe und Ladung abspenstig macht, und der niederländische Marktführer Rotterdam tritt auf der Stelle. 2015 verzeichnete die Nordrange einen Umschlagrückgang von 1,6 Prozent – zum ersten Mal, seit in Europa ein Container angeliefert wurde: am Hamburger Terminal Burchardkai vor 50 Jahren im Mai 1966. Das war zwei Monate vor dem legendären Tor im WM-Finale in Wembley, und drei Jahre bevor Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat – lang ist’s her.

„Der klassische Güterhandel mit standardisierten Massenprodukten ist ein Auslaufmodell“, behauptet deshalb durchaus wagemutig der Ökonom Thomas Straubhaar, bis 2014 Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts. „Es kann ökonomisch nicht nachhaltig sein, Standardgüter zentral herzustellen und sie um die halbe Welt zu transportieren“, kritisierte er im Januar in einem Interview mit Spiegel Online seine eigene bisherige Lehre. Die Globalisierung mit Schiffen und Häfen verliere an Relevanz, was Volkswirtschaftler seit mindestens 200 Jahren „gefeiert haben, ist jetzt völlig überholt“, so Straubhaar. Abhilfe weiß der Wissenschaftler indes nicht so recht: „Wir brauchen eine neue Theorie.“

Professorale Vollbremsung

Praktiker wie Thomas Eckelmann, Chef des größten deutschen Hafenterminalbetreibers, Eurogate in Bremen, findet Straubhaars professorale Vollbremsung „interessant“, aber nur bedingt praxisnah. In den 1990er-Jahren, nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staatswirtschaften, wuchs der Welthandel dreieinhalb mal stärker als die Weltwirtschaft. Seit 2010 ist es nur noch das Eineinhalbfache, und das bei halbiertem Wachstum der Weltwirtschaft. Die Logik des Unternehmers indes lautet unverdrossen, dorthin zu gehen, wo noch Geld und Zukunft zu erwarten sind: nach Brasilien etwa, nach Zypern als neue Drehscheibe im östlichen Mittelmeer oder in den Iran, wo Märkte sich erst noch entwickeln.

Dabei drohen Eurogates Standorte an der Deutschen Bucht – Hamburg, Bremen, Bremerhaven und Wilhelmshaven – wie auch die Nordrange in Gänze an Bedeutung zu verlieren. Bremerhaven an der Außenweser ist mit seinen 5,5 bis 6 Millionen Standardcontainern (TEU) im Jahr ausgereizt, Erweiterungsflächen gibt es nicht. Die Ergänzung sollte der 2012 in Betrieb gegangene Jade-Weser-Port sein, an dem die Länder Niedersachsen und Bremen beteiligt sind und den Eurogate betreibt. Dieser „Beitrag zur Stärkung der Deutschen Bucht“, wie Bremens Häfensenator Martin Günthner (SPD) den Tiefwasserhafen für den ganzen Norden nennt, aber wird bislang kaum genutzt. Eine halbe Million Stahlboxen im Jahr, aus diesem Stoff sind Träume an der Jade.

Herunterkorrigierte Zahlen

Und Hamburg, das 2007 und 2008 die magische Marke von 10,0 Millionen TEU jeweils nur um wenige Hundert Kisten verpasste, daraufhin von 24 Millionen TEU Mitte der 2020er-Jahre träumte und diese Zahl, weil nicht mal die treuesten Standortmedien sie glauben wollten, auf 16 Millionen herunterkorrigierte, dieses Hamburg sei „durchaus für 6,5 bis 7 Millionen TEU gut“, wie Eckelmann sagt. Auf einen Umschlag von zehn Millionen Containern indes, so der Abgesang des Eurogate-Chefs auf die Metropole an der Elbe, „würde ich nicht wetten“.

Der Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Hamburg werde „als Universalhafen“, der nicht nur Container, sondern auch Rohöl, Autos oder Getreide umschlägt, stabil in die Zukunft gehen, sagt er. Bei einem Containerisierungsgrad von rund 97 Prozent bleibt allerdings nicht viel Fracht übrig, die nicht in Stahlboxen gepackt wird. Und so wird es lange dauern, bis Deutschlands „Tor zur Welt“ seinen Ruf und Rang in der Welt der Welthäfen wieder gefestigt haben könnte. „Von zweistelligen Wachstumsraten in Ostasien“, das für rund ein Drittel des Hamburger Warenumschlags sorgt, „müssen wir uns erst mal verabschieden“, räumt Horch ein. „Wenn China niest“, spotten Branchenkenner, „bekommt Hamburg die Grippe“ – das Fieber ist dramatisch hoch.

Und so rasch wird es nicht sinken, denn die größten Megafrachter können Hamburg nur halb beladen anlaufen. Und wenn die Elbvertiefung nicht bald vom Bundesverwaltungsgericht genehmigt wird, rechnet die Hafenwirtschaft mit weiteren Verlusten an Umschlag und Umsatz. Aus Sicht von Malte Siegert, Hafenexperte des Naturschutzbundes (Nabu), sind die Ausbaggerungen von Elbe und auch Weser hingegen unnötig. Die Häfen von Hamburg und Bremerhaven würden „womöglich etwas kleiner und dafür feiner werden“, das aber wäre dennoch „eine vernünftige Lösung“, findet Siegert

Konkurrenz belebt

Für Horch indes kommt der Verzicht auf die Flussvertiefungen und dafür eine Kooperation und Arbeitsteilung mit Bremerhaven und Wilhelmshaven nicht infrage: „Die Konkurrenz muss bleiben, sie belebt das Geschäft“, lautet seine Überzeugung. Und überdies ließen „Warenströme sich durch die Politik nicht lenken“. Der Markt bestimmt eben.

Sein Bremer Ressortkollege Günthner ruft derweil in Erinnerung, dass die Megafrachter mit immer mehr Containern und immer mehr Tiefgang „eine Begründung für die Notwendigkeit eines zusätzlichen Terminals in Wilhelmshaven“ gewesen seien. Diese Entwicklung werde dafür sorgen, „dass sich das Wachstum an der Jade verstetigt“. Deshalb bestünde „auf längere Sicht“ durchaus die Option, eine eventuelle Erweiterung des Jade-Weser-Ports zusammen mit Hamburg zu realisieren. „Ob sich das dann Wünschenswerte auch als machbar herausstellt, muss sich zeigen“, formuliert Günthner betont vorsichtig angesichts der Jahrhunderte alten Rivalitäten zwischen Hamburg und Bremen.

Für Eurogate-Chef Eckelmann hingegen ist das zweitrangig. Er weist darauf hin, dass seit etlichen Jahren die Containerflotte weit stärker wächst als die Containermengen. In naher Zukunft würden 60 weitere Megafrachter mit mehr als 18.000 TEU Tragfähigkeit ausgeliefert werden. Ohne Elbvertiefung würde Hamburg, wo Eurogate mit dem lokal größeren Konkurrenten HHLA im Wettbewerb steht, dann abgehängt werden, mutmaßt er. Zwischen den Eurogate-Terminals in Bremerhaven und Wilhelmshaven hingegen könnte das Unternehmen Schiffe und Ladung fast nach Belieben verschieben.

Wenn der weltweite Handel wieder Fahrt aufnimmt, so die Botschaft, guckt Hamburg in die Röhre und Wilhelmshaven profitiert. Wenn nicht, ebenfalls: die Freie und Hansestadt Hamburg als Globalisierungsopfer – so oder so.

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3 Kommentare

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  • Was mich im Gesamtzusammenhang wirklich mal interessieren würde wäre, wer eigentlich genau für die diversen Infrastrukturmaßnahmen was genau zahlt. Also etwa für die vom Bundesland und der Stadt Hamburg so ausdrücklich geforderten Fahrrinnen-Ertüchtigungen der Elbe von der Mündung bis zu den Liegeplätzen oder entsprechende Maßnahmen an der Wesermündung für das Bundesland (und die Stadt) Bremen (Bremerhaven) oder sonstwo. Der Punkt dabei ist der nicht ganz fernliegende Verdacht, dass sowohl die beständige Pflege der Schiffahrtswege als auch natürlich besonders ein weiterer Ausbau durchaus enorme Summen aus den verkehrlichen Etats des Bundes, der Länder und der Gebietskörperschaften zieht (als gemeinschaftliche Last, verteilt auf alle, wohlverstanden) - und (mir zumindest) keineswegs klar erkennbar ist, ob alle getätigten Einzelaufwände sich tatsächlich rechnen (zumindest mittelfristig und proportional geschichtet auf alle öffentlichen Quellen). Wenn Bund und/oder ein Großteil von Bundesländern nämlich letztlich hohe Kosten tragen müssen (weil der Steuer- und Gebühreneinzug aus den Seehandelsströmen der Häfen nichts/nicht genug einbringt), dann müssen sich irgendwann mal die Seehäfen-Bundesländer sehr genau äußern, wie sie sich das eigentlich auf Dauer vorstellen mit der (vermuteten!) öffentlichen Dauer-Subventionierung durch sozialisierte Lasten.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Solange Waren aus Asien nur einen Bruchteil der in Europa hergestellten Güter kosten, werden die großen Schiffe fahren (und die Meere verschmutzen).

    Wer ist denn tatsächlich bereit, für ein T-shirt von Trigema 50 € zu bezahlen, wenn das asiatische bei Aldi gerade mal 5 € kostet.

  • erstmal ist der Rückgang gut ( aus ökologischen Gründen ), nur ein Beispiel, ich brauche hier in Mitteleuropa keine Äpfel aus Australien...,

    dann, Wilhelmshafen nimmt die grossen Pötte und Bremen/Hamburg denken endlich global, Jahrhunderte Feindschaft hin und her...,

     

    ahoi, störtebecker