piwik no script img

Berlins Haushaltsklage kann kläglich enden

Nur ein radikaler Verwaltungsumbau könne verhindern, dass Berlin auf seinen Schulden sitzen bleibt, mahnt eine neue Studie. Auftraggeberin FDP bezweifelt als einzige Partei offen Erfolg der Klage auf milliardenschwere Hilfen

Im hochverschuldeten Berlin könnte die Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt, bald ihr Leben aushauchen. Während Senats- und Oppositionsparteien in seltener Einmütigkeit hoffen, dass eine erfolgreiche Klage auf Entschuldungshilfen in Karlsruhe einen Großteil des landeseigenen Schuldenbergs tilgen wird, bezweifelt das ein Experte für Haushaltssanierungen.

Mit Blick auf die Klage beim Bundesverfassungsgericht, die dem Land bis zu 35 Milliarden Euro bescheren soll, sagt der Direktor des Internationalen Instituts für Staats- und Europawissenschaften (ISE), Joachim Jens Hesse: „Berlin muss beweisen, dass es seine Hausaufgaben gemacht hat. Und das hat es bislang nicht.“

Zwar bemühten sich die Landesregierungen seit Mitte der Neunzigerjahre, die über Jahrzehnte aufgeblähte Verwaltung wieder zu verkleinern, sagt Jessen. Das fände auch die Anerkennung der Karlsruher Richterschaft und der sie umgebenden Experten. Zwischen 1997 und 2004 ist die Zahl der Beschäftigten in den Haupt- und Bezirksverwaltungen von mehr als 203.000 auf 148.000 geschrumpft. Doch fehle es bis heute an tief greifenden „Strukturmaßnahmen“, beispielsweise einer Entflechtung von Bezirks- und Landeskompetenzen. Kurz gesagt: Wenn Berlin Milliardensummen vom Bund will, muss es seine Verwaltung nicht nur verkleinern, sondern drastisch umbauen.

Wie das aussehen könnte, hat das ISE in einer gestern vorgestellten Studie im Auftrag der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus durchgespielt. Von zärtlich bis hart reichen die drei Umbauvarianten des Berliner Instituts. Im radikalsten Modell fallen die Bezirksverwaltungen weg. Die Hauptverwaltung – also das Land – lenkt, während untergeordnete „lokale Anlaufstellen“ Ansprechpartner der BürgerInnen sind. 310 bis 450 Millionen Euro könnte Berlin nach den Rechnungen der VerwaltungsexpertInnen dadurch sparen.

Dass die kleine FDP mit radikalen Forderungen aus der Anonymität der Opposition fliehen will, ist nicht neu. Neu sind die Zweifel, die sich eine Abgeordnetenhausfraktion mit Blick auf die Haushaltsklage erlaubt. Alle Parteien haben in den vergangenen Monaten stillschweigend das Credo von Finanzsenator Sarrazin übernommen. Der hatte bei der Vorstellung des Berliner Doppelhaushalts 2006/07 im Juli gesagt: „Der Weg aus der Zins-Schulden-Falle geht jetzt in seine zweite Phase – und dabei sind wir auf Hilfe von außen angewiesen. Eine Teilentschuldung durch die bundesstaatliche Gemeinschaft ist zwingend notwendig.“ Angesichts von fast 60 Milliarden Euro Schulden fällt diese Selbsthypnose nicht schwer. Das Aufwachen schon eher. MATTHIAS LOHRE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen