Zeitungen in Thüringen: Aus drei mach eins
Die Funke-Gruppe baut den Thüringer Zeitungsmarkt um. Kritiker fürchten sich vor der „Einheitspresse“ – und sind in Sorge um Arbeitsplätze.
Michael Tallai hatte damit gerechnet, dass es für ihn unbequem werden könnte. Er ist Geschäftsführer der Mediengruppe Thüringen und verantwortet das, was Funke „Zukunftsprogramm“ nennt: Die Mantelredaktionen der Thüringer Allgemeinen, der Thüringer Landeszeitung und der Ostthüringer Zeitung sollen zusammengelegt und nicht mehr in Thüringen, sondern in den Zentralredaktionen in Berlin und Essen produziert werden.
Rund ein Drittel der Belegschaft der drei Thüringer Zeitungen soll eingespart werden, von bis zu 150 Mitarbeitern ist die Rede. So hatte es Funke Ende Februar verkündet. Der Thüringer Landtag nahm den Umbau zum Anlass für eine Aktuelle Stunde, bei der alle Fraktion, bis auf die AfD, von einem Verlust der Pressevielfalt, von Einheitspresse und Medienkonzentration sprachen.
Nur einer kritisiert
Am vergangenen Donnerstag nun stelle sich Tallai auf einer Podiumsdiskussion der öffentlichen Diskussion. Das Café Nerly in der Erfurter Innenstadt war so voll wie selten. Rund 100 Leute quetschten sich auf die schweren Sofas, saßen auf dem Boden und den Stufen des alten Theatersaals. Doch der Einzige, der Tallai für sein Programm kritisierte und – bisweilen polemisch – angriff, war der frühere Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen und das heutige Presseratsmitglied, Sergej Lochthofen.
Funke habe sich mit dem knapp eine Milliarden schweren Kauf von Regionalzeitungen, Frauen- und Fernsehzeitschriften von Springer im Jahr 2013 übernommen. Die Kosten müssten nun die Thüringer Zeitungen zahlen, mutmaßte Lochthofen. Tallai bestreitet das. Es seien vielmehr die sinkenden Auflagenzahlen und Anzeigenerlöse sowie der Mindestlohn für die Zeitungszusteller, die den Umbau der Zeitungen nötig machten.
Tatsächlich hat die Zeitungsgruppe Thüringen, der die drei Blätter angehören, in den vergangenen Jahren Auflage verloren – allerdings nicht mehr als viele andere Regionalzeitungen. Mit gut 250.000 verkauften Exemplaren täglich ist sie noch immer die größte Zeitungsgruppe in Ostdeutschland.
Seit Ende März verhandelt Funke mit den Betriebsräte. Der Verlag hat Mitarbeitern, die älter als 57 sind, Angebote zur Frühverrentung gemacht, die einige bereits angenommen haben. Wenn es gut läuft, sagt Tallai, werde es nur wenige betriebsbedingte Kündigungen geben. Britt Mandler, Betriebsratsvorsitzende der Thüringer Allgemeinen, ist weniger optimistisch. Die Stimmung im Haus sei schlecht, heißt es aus verschiedenen Redaktionen.
Nur wenige Sekretärinnen bleiben
Auf der Streichliste stehen neben Redakteuren und Anzeigenverkäufern auch Sekretärinnen. Funke will sie durch eine zentrale Beratungshotline ersetzen. Damit werde ein großer Teil der Identität der Lokalredaktionen verloren gehen, glauben viele Mitarbeiter. Die Sekretärinnen seien nicht nur Organisatorinnen, sondern auch Anlaufstelle für Leser, die ihren Leserbrief vom Sütterlin übersetzt, ein vergilbtes Familienfoto eingescannt haben wollen oder die erzählen, was der Gemeinderat wieder verbockt hat. Das werden die Thüringer Zeitungen dann nicht mehr leisten können, sagt Tallai dazu.
Wie genau die Thüringer Zeitungen in Zukunft aussehen sollen, steht noch nicht fest. Arbeitsgruppen basteln an einem Konzept. Bereits vor fünf Jahren verkündete die Geschäftsführung einen stärkeren Fokus auf das Regionale und baute die Blätter um. Gebracht hat das scheinbar nichts, die Leser vermissen laut einer aktuellen Befragung noch immer gute Regional- und Lokalberichterstattung.
Es ist heute schon so, dass die Thüringer Allgemeine als größte der drei Zeitungen, vor allem die Thüringer Landeszeitung mit Inhalten beliefert – gleiche Texte, gleiche Autoren, ähnliche Bilder, nur unter einem anderen Zeitungstitel. Die Überschneidungen dürften zunehmen, wenn Funke einige Lokalredaktionen von Thüringer Allgemeiner und Thüringer Landeszeitung zusammenlegt.
Wieso dann überhaupt noch drei unterschiedliche Zeitungen betreiben? Wäre es nicht einfacher mit einer? Betriebswirtschaftlich wäre das dumm, sagt Michael Tallai. Die jetzigen Überschneidungen störten den Leser nicht. Nähme man ihm aber seine Zeitung, würde er nicht die einzig verbleibende abonnieren. Die Frage ist nur, wie viel von „seiner Zeitung“ er in Zukunft noch finden wird.
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