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Die Heide bebauen

Ausstellung Die Heidestraße lebte drei Leben zwischen Moabit und Wedding. Das vierte hört auf den Namen Europaviertel. Das Quartier wird das Ende der Straße sein

Foto: Andreas Muhs

Vom ersten Leben steht noch der Speicher. Er wurde 1898 gebaut, als die Heidestraße noch der Industrie gehörte.

Alle Fotos stammen aus der Ausstellung „Heidestraße“, Haus am Kleistpark Foto: Peter Thieme

Mit dem Hamburger Bahnhof fing 1847 alles an. 1859 wurde der Berlin-Spandauer Schifffahrtsweg eröffnet, 1871 der Lehrter Bahnhof. Es folgte ein Güterbahnhof und schließlich der so genannte Kornversuchsspeicher, von dem auf der Fotografie links nur die Brandmauer zu sehen ist. Auf der Heide, die noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts nördlich der Spree blühte, wurde geschuftet und geackert. Und gewohnt. Ein paar Altbauten stehen noch. Das erste und längste Leben der Heidestraße ging mit dem Krieg zu Ende.

Das zweite Leben dauerte nicht mal ein halbes Jahrhundert. Nach dem Mauerbau war die Straße Grenzgebiet – und die kürzeste West-Berliner Verbindung zwischen Kreuzberg und Wedding. Wer nicht mit der U-Bahn durch Geisterbahnhöfe schleichen wollte, raste mit dem Auto durch die Geisterstraße, vorbei an Brachen, Gewerbehallen und der „Bierquelle“.

Foto: Jochen Wermann

In die Hallen zog es nach der Wende Künstler. Sie hauchten der Straße neues, das dritte Leben ein. Ólafur Elíasson arbeitete hier. Berlin bekam ein schön unaufgeräumtes Galerienviertel. Klaus Wowereit träumte von einer Kunsthalle.

Foto: André Kirchner

Der Traum platzte. Bald schon drehten sich an der Heidestraße die Kräne, 2012 war das Total-Hochhaus fertig. Nun ist die Straße auf vier Spuren verbreitert. Bald sollen die nächsten Kräne kommen. Europacity heißt das Ganze, 2.840 Wohnungen, 42 für Nichtreiche.

Foto: Volker Wartmann
Foto: Jochen Wermann

Früher, heißt es, war alles besser. Stimmt. Mit ihrem vierten Leben wird die Heidestraße zu Grabe getragen. Uwe Rada

„Heidestraße“, Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6/7. Bis 30. April

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