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Gauck auf Staatsbesuch in ChinaMenschenrechte sind nicht tabu

Der Bundespräsident wirbt mit seiner Rede in der Tongji-Universität in Schanghai für Demokratie. Die Staatsmedien ignorieren ihn weitgehend.

Joachim Gauck vor dem Kaiserpalast im Zentrum Pekings Foto: dpa

Peking taz | Er hat Wort gehalten. Bundespräsident Joachim Gauck hatte angekündigt, in China auch die Themen anzusprechen, die von der autoritären Führung tabuisiert werden: Demokratie und Menschenrechte. Genau das hat er am Mittwoch in einer Rede vor Studenten der renommierten Tongji-Universität in Schanghai getan.

Gauck zollte zwar Chinas wirtschaftlicher Entwicklung Respekt, nannte es „historisch“, dass China viele Menschen in die Lage versetzt habe, sich aus der Armut zu befreien. Doch unverblümt kritisiert er das kommunistische Herrschaftssystem. Das menschliche Verlangen nach Freiheit werde sich immer wieder Bahn brechen, mahnte er: „Aus diesem Grund können individuelle Freiheitsrechte nicht dauerhaft durch materielle Güter oder sozialen Status ersetzt werden.“

Immer wieder führte er die deutsche Geschichte und seine DDR-Vergangenheit an. Deutschland habe sich erst nach der Katastrophe des Nationalismus für die Prinzipien der bürgerlichen Freiheit geöffnet. Die zentrale Lehre aus den Verbrechen durch die Nationalsozialisten sei aber gewesen, betonte Gauck: Nie wieder darf die Macht über dem Recht stehen.

Gauck spricht in einer Zeit, in der viele Wissenschaftler unter dem Druck der chinesischen Regierung leiden. Die Führung unter Staats- und Parteichef Xi Jinping wetterte zuletzt mehrfach gegen eine „Verwestlichung“ und verbot den Universitäten, „falsche westliche Werte, Ultraindividualismus und Materialismus“ zu lehren. Gauck mahnt, Universitäten müssten ein Ort freier Forschung und und offener Debatten bleiben: „Diese Freiheit ist ein kostbares Gut.“

Handverlesene Zuhörer

Seine Gastgeber dürften mit einer solchen Rede gerechnet haben. Entsprechend hatten sie vorgesorgt. In dem Hörsaal saßen nur handverlesene Studenten und die staatlich kontrollierten Medien ignorierten diese Rede komplett.

Überhaupt wird Gaucks fünftägiger Besuch von den Staatsmedien kaum beachtet. Dabei hatten am Montag sowohl Staatspräsident Xi Jinping als auch Premier Li Keqiang den deutschen Bundespräsidenten empfangen. Den Hauptnachrichten war das aber nur eine Randnotiz wert. Stattdessen berichteten sie ausführlich über den Besuch des nepalesischen Regierungschefs.

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2 Kommentare

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  • Der große Fehler von Hr. Gauck, ist China und die DDR zu vergleichen.

    Die DDR hat eine Mauer gebaut, die Chinesen dagegen sind frei. 70 Millionen sind letztes Jahr ins Ausland gereist. 409 000 chinesische Studenten, die im Ausland studiert haben, sind 2015 zurückgekehrt, hochqualifizierte junge Menschen, die vergleichen können.

  • Die Chinesen sind überaus freundliche Menschen und haben unseren Präsidenten äußerst zuvorkommend behandelt, wenn man bedenkt, dass

    Gauck erst nach vier Jahren Amtszeit es für nötig hält, einen für DE so wichtigen Staat zu besuchen,

    Gauck Repräsentant einer Gesellschaft ist, deren Regierung aktuell die Menschenrechte der Flüchtenden an den Diktator Erdogan verscherbelt,

    Gauck einem Land vorsteht, desse "westliche Werte" im Mittelmeer ersaufen, im Stacheldraht an den Grenzen hängen bleiben, sich an verbrecherischen Kriegen wider alle Menschlichkeit beteiligt und dessen Freiheit sich in der Freiheit zur gnadenlosen Bereicherung einiger weniger Superreichen erschöpft.

    Wie kann sich eine derartige Karikatur eines Politikers anmaßen, andere Gesellschaften zu belehren?

    Wie kann ein TAZ-Journalist ihm den Jubelschreiber machen?

    "Denk ich an DE in der Nacht,

    Bin ich um den Schlaf gebracht"