: Lob aus New York, Tadel aus München
Reaktionen Nach dem Gipfel muss Merkel Kritik einstecken
Nur eine Stunde zuvor hatte das UNHCR noch die Ergebnisse des Brüsseler EU-Gipfels kritisiert und vor „kollektiven Abschiebungen“ in die Türkei gewarnt, die Merkel nun vorantreibt. Der UN-Chef machte sich die Kritik seiner Leute im Kanzleramt aber nicht zu eigen. „Die Bundeskanzlerin hat großes Mitgefühl bekundet und versucht, den richtigen Ansatz für diese Herausforderung zu finden“, sagte er nur.
Endlich mal wieder warme Worte für eine müde Kanzlerin, die sich nach der langen Gipfelnacht ansonsten ziemlich viel Kritik anhören musste – von rechts und von links.
„Merkel ist in Brüssel gescheitert“, sagte zum Beispiel die Fraktionschefin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht. Sie kritisierte, dass sich die Bundesregierung auf eine Allianz mit der Türkei versteift habe. Dass man sich vom „Menschenrechtsverletzer und Kriegstreiber“ Recep Erdoğan abhängig mache, sei der „letzte Sargnagel für die moralische Glaubwürdigkeit der EU“.
Die CSU zeigte sich ähnlich verstimmt über das Gipfelergebnis. Marcel Huber, Chef der bayerischen Staatskanzlei, kündigte in München „massiven Widerstand“ seiner Landesregierung an. Dass die EU der Türkei Visafreiheit und sogar die Mitgliedschaft in der Europäischen Union in Aussicht stellt, werde Bayern nicht akzeptieren.
Der Gipfel also ein Debakel, und das nicht einmal eine Woche vor den Wahlen in drei Bundesländern? Nicht ganz. Zumindest die CDU scharte sich gestern um ihre Parteichefin. „Es bleibt noch viel zu tun, aber ein sehr großer Schritt ist getan“, sagte Innenminister Thomas de Maizière. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble. Er sprach von einem „beachtlichen Erfolg“ für die Kanzlerin.
Für den Fall, dass der Brüsseler Plan umgesetzt wird, bahnt sich zwischen CDU und CSU also neuer Streit an.
Die SPD schaut sich diesen Zwist genüsslich an. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, in Deutschland müssten sich nun alle politischen Kräfte hinter die gemeinsame Politik stellen „und außenpolitische Querschüsse einstellen“. Den EU-Türkei-Plan der Kanzlerin will er demnach grundsätzlich unterstützen.
Tobias Schulze
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