piwik no script img

Tourismusmesse in BerlinKlischees aus aller Welt

Hier ist alles noch so, wie man sich fremde Länder einst vorstellte: In Frankreich wimmelt es von Croissants, in der Türkei gibt‘s vor allem Tee. Ein Besuch auf der ITB.

So sieht sie aus, die Südsee: Stand auf der ITB. Foto: dpa

Der Versuch, die Internationale Tourismusbörse (ITB) ohne Vorurteile über die dort ausstellenden Ländern zu besuchen, ist gescheitert. Denn sie selbst haben bereits am ersten Messetag nahezu alle Klischees bedient.

Am Stand von Frankreich gibt es Croissants, die Türkei bietet den Besuchern Tee an und hat Nazar-Amulette ausgelegt, die blauen, augenförmigen Schmucksteine, die jeder Tourist aus dem Türkeiurlaub mitbringt. An den Ständen von Belgien gibt es für die Gäste Pralinen, gegenüber, auf allen Tischen der niederländischen Reiseveranstalter, Tulpen. Und an den bayerischen Ständen tragen die Aussteller Dirndl und Lederhosen.

Skurrilitäten hat die ITB auch im Angebot: Eine ägyptische Bauchtänzerin tanzt vor großen Plastikpyramiden. Am Stand der Sachsen regnet es von der Decke auf einen Plastikwald, daneben sitzt eine Frau am Flügel und singt „Time After Time“ – und das unter dem Motto „Spüre die Natur“. Das offizielle ITB-Partnerland Malediven lässt die Besucher bei einer Nackenmassage vergessen, dass das vermeintliche Urlaubsparadies eine Diktatur ist, die die Menschenrechte ihrer Bevölkerung verletzt.

Etwa einen Meter hoch sind die roten Zahlen „365/24“, die vor den Berliner Infoständen stehen und den neuen Slogan der Hauptstadt verkörpern. Dieser will den Besucher sagen, dass Berlin an jedem Tag im Jahr rund um die Uhr etwas zu bieten hat. Mit der App „top10berlin“ können Touristen die jeweils zehn besten Locations für verschiedene Anlässe abrufen. Eine Partylocation befindet sich direkt nebenan – die mobile Disco in einer Telefonzelle.

Wem die zweidimensionalen Bilder von Berlin auf dem großen Touchscreen nicht reichen, bekommt auch eine 360-Grad-Ansicht der Stadt geboten: Eine Virtual-Reality-Brille befördert die Besucher vom Messegelände ans Spreeufer, die Mauer oder auf den Pariser Platz – bei bestem Wetter hat man eine gute Sicht auf das Brandenburger Tor. Biegt man den Kopf nach oben, sieht man wolkenlosen Himmel. Der Blick nach unten zeigt eine lächelnde junge Frau. Sie ist die Fotografin der 360-Grad-Fotos. Es entsteht tatsächlich der Eindruck, man stünde auf dem Pariser Platz und drehe sich um die eigene Achse. Von außen betrachtet, dreht man sich lediglich auf einem Drehstuhl und schaut an die graue Decke einer Messehalle. Bei dem schönen Frühlingswetter wäre ein realer Stadtrundgang an der frischen Luft eine gute Alternative.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Auf der ITB hat die Weltstadt Berlin nur noch „356/24“ geöffnet.