Konsum Die einen nennen es Toleranzgrenze, die anderen Schummelei: Um die Lampe wird es finster
Berlin taz | Nach der Autoindustrie steht eine weitere Branche im Verdacht, systematisch Verbraucher zu belügen: die Lampenhersteller. Die Angaben über Lichtstärke und Energieverbrauch auf den Verpackungen ihrer Produkte wichen von den tatsächlichen Werten oft ab, meldet die Süddeutsche Zeitung; viele seien so ineffizient, dass sie gar nicht verkauft werden dürften. Grund dafür sei, dass die EU den Herstellern so große Toleranzen bei ihren Messverfahren erlaube, dass deren Ergebnisse kaum noch aussagekräftig seien.
Wie das? Massenprodukte wie Haushaltslampen zeigen, auch wenn sie zur gleichen Marke und Sorte gehören, nie die immer gleichen Eigenschaften. Einige leuchten heller, andere dunkler. Die Hersteller testen verschiedene Lampen und bilden aus den Ergebnissen Mittelwerte. Von diesem darf die einzelne Lampe bis zu 10 Prozent abweichen. Bei Netzspannungs-Halogenlampen sei bekannt, dass sie nur unter Ausnutzung der Toleranzregel den gesetzlichen Höchstwert einhalten, sagt Christoph Mordziol vom Umweltbundesamt: „Es gibt einen rechtlichen Graubereich.“ Wie viele Unternehmen ihn ausnutzen, sei dem Amt nicht bekannt.
Peter Schick von der Stiftung Warentest kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Etwa dreimal im Jahr testet sein Team Lampen, in letzter Zeit vornehmlich LEDs, weil Energiesparlampen oder Glühbirnen unwichtiger würden. Ergebnis der strengen Tester: „Die Watt- und Lumen-Angaben auf den Packungen stimmen meistens recht gut mit unseren Ergebnissen überein“, so Schick. Beispiel aus der neuesten Untersuchung: Im Durchschnitt waren 5,7 Watt deklariert, der Durchschnitt aller Messwerte lag bei 5,6 Watt. „Gewisse Toleranzen muss man dem Hersteller zugestehen“, so Schick, „bei mehr Präzision würden die Fertigungskosten steigen, das will kein Verbraucher zahlen.“ Er empfiehlt, Lampen zu wählen, die im Test keine Mängel zeigten. „Bei billigen, importierten No-Name-Waren ist das Risiko von Abweichungen am größten.“
Hier müsste die Marktüberwachung der Länder greifen. „In den Behörden wird seit Jahren extrem gespart“, sagt Dirk Jepsen vom Hamburger Institut Ökopol. Das sei das eigentliche Problem: „Der Gesetzgeber macht der Industrie Vorschriften, und dann stattet er die Aufsichtsbehörden nicht ausreichend aus, um ihre Einhaltung zu überwachen.“ Heike Holdinghausen
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