„Der Aufbau eines zeitlich terminierten Ego-Netzwerks gehört zur Leistung, die man von Partygängern erwartet“, schreibt der Soziologe Heinz Bude in seinem Essay „Prolegomena zur Soziologie der Party“. In diesem Sinne ist auch der Eröffnungsempfang der Berlinale, der traditionell am Donnerstag ab 22.15 Uhr stattfindet, eine Party, allerdings eine von etwas geräumigeren Ausmaßen.
Erst Zanderfilets an Stehtischen, dann Freigetränke, der ganze Berlinalepalast am Potsdamer Platz wird bespielt, tausend oder so Gäste. Sich überlagernde Ego-Netzwerke ohne Ende.
Für teilnehmende Beobachter ist es nicht ganz einfach, das Zentrum zu bestimmen. Selbstverständlich ist man zunächst versucht, es in der Glamourproduktion zu verorten. Eine Weile bringt es auch Spaß, sich im Eingangsbereich zu postieren. Promi kommt, meist ein deutscher Schauspieler, Sebastian Koch, Sunnyi Melles, Iris Berben oder so, Fotografen nahen.
Dann hört man aufgeregtes Knipsen und anfeuernde Rufe der Fotografen. Wirklich interessant, diese Promi-Fotografen-Couples bei der möglichst effizienten Bildherstellung zusammenarbeiten zu sehen. Es ist eine für alle Beteiligten genau festgelegte Dramaturgie, und nach 20 Sekunden ist alles wieder vorbei. Profis unter sich. Nächster Promi.
Die Arbeiter im Innern des Filmbetriebs
Aber bald hat man heraus, dass solche Hochglanzbilder natürlich ein ganz falsches Bild des Ganzen vermitteln. Ein Ereignis kann dieser Event viel mehr für die Kärrnerarbeiter im Inneren des Filmbetriebs sein. Für die Leute, die parallel Karrieren gemacht haben und sich hier einmal im Jahr kurz treffen, um auf die alten Zeiten anzustoßen. Oder die Strippenzieher, die sich ihrer Seilschaften versichern. Die wilden Berlinaleparties, hört man, finden woanders statt.
Der Eröffnungsempfang hat eher so etwas davon, als würden fünfzig Familienfeiern und Abitreffen gleichzeitig im selben Raum stattfinden. Wobei ein etwas komplizierteres Blickregime hinzukommt: Verdammt noch mal, woher kennt man dieses Gesicht, das man gerade fokussiert? Aus dem Fernsehen? Dann nur nicht so auffällig hingucken. Oder aus dem wirklichen Leben? Dann schnell verbindlich lächeln.
Berlinale 2016
Der „Goldene Bär für den besten Film“ ging an „Fuocoammare“. Der Preis ist ist die höchste Auszeichnung der Internationalen Filmfestspiele in Berlin. „Fuocoammare“ hält das Leben der Menschen auf Lampedusa fest. Er wurde erstmals am 13. Februar im Wettbewerb der Berlinale gezeigt.
picture alliance/dpa
Blitzlichtgewitter, ein selbstfahrendes Auto und jede Menge Stars – das war die Berlinale 2016. Am Sonntag geht sie zu Ende.
dpa
Silberne Bären bekamen Majd Mastoura als „Bester Darsteller“ in „Inhebbek Hedi“ und Trine Dyrholm als „Beste Darstellerin“ in „Kollektivet“ (v.l.). Außerdem erhielt Danis Tanovic den „Silbernen Bären Großer Preis der Jury“ für seinen Film „Smrt u Sarajevu“. Der „Silberne Bär Alfred-Bauer-Preis“ ging an den Film „Hele Sa Hiwagang Hapis“ von Lav Diaz.
dpa
Preisträgerin Mia Hansen-Love ist glücklich über ihren Silbernen Bären für die beste Regie von „L'avenir“. Auch Tomasz Wasilewski erhielt einen für das Beste Drehbuch von „United States of Love“. Auch Mark Lee Ping-Bing konnte sich glücklich schätzen: Er erhielt einen „Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung“ in „Crosscurrent“.
dpa
Kameramann Michael Ballhaus hat den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk bekommen. Sein Markenzeichen: 360-Grad-Kamerafahrten. Bei der Preisverleihung wurde auch „Gangs of New York“ mit Leonardo DiCaprio und Cameron Diaz gezeigt.
dpa
Meryl Streep erhielt 2012 auch einen Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Die dreifache Oscar-Gewinnerin war in diesem Jahr die Präsidentin der internationalen Jury. Diese verleiht den Goldenen und den Silbernen Bären der Berlinale. Die US-Schauspielerin ist derzeit im Film „Suffragette“ zu sehen.
dpa
Nur durch seine bloße Anwesenheit stach George Clooney bei der Eröffnung der Berlinale am 11. Februar hervor. Selfies mit Fans zu machen gehört zur Berlinale einfach dazu. Clooney spielt die Hauptrolle im Film „Hail, Caesar!“ und zeigte sich mit seiner Frau Amal Alamuddin auf dem Roten Teppich. Am 12. Februar sprach er mit Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingskrise.
dpa
In „Hail, Caesar!“ mimt George Clooney den Hollywoodstar Baird Whitlock. Der Film von den Coen-Brüdern entführt den Zuschauer in eines der großen Filmstudios im Hollywood der frühen Fünfzigerjahre. 2011 eröffneten die Coens bereits mit „True Grit“ die Berlinale. „Hail, Caesar!“ ist seit dem 18. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.
dpa
Der deutsche Filmstar Daniel Brühl erregte ebenfalls Aufsehen, als er zur Eröffnungsgala der Berlinale in einem selbstfahrenden Auto erschien. Zudem spielt er im Berlinale-Film „Alone in Berlin“ einen Kommissar, der die Herkunft von Anti-Hitler Postkarten aufdecken soll. Mit Emma Watson ist Brühl abseits der Berlinale auch im Kinofilm „Colonia Dignidad“ zu sehen.
dpa
Der Künstler Ai Weiwei hat am 13. Februar das Berliner Konzerthaus mit Rettungswesten von der griechischen Insel Lesbos einkleiden lassen. Damit will er auf die Flüchtlinge, die auf ihrer Flucht nach Europa ertrunken sind, aufmerksam machen. Ai Weiwei ist Ehrenpräsident des „Cinema for Peace“, das zeitgleich zur Berlinale stattfand.
dpa
Der einzige deutsche Film im Wettbewerb heißt „24 Wochen“. Was macht ein Paar, bei dessen ungeborenem Kind Trisomie 21 diagnostiziert wird?
dpa
Außerdem war im Wettbewerb: der Film „Chang Jiang Tu“. Kapitän Gao Chun fährt mit seinem Frachter auf dem chinesischen Jangtse flussaufwärts. Er soll die Seele seines verstorbenen Vaters befreien und ist gleichzeitig auf der Suche nach der großen Liebe. Der Film ist am 21. Februar im Haus der Berliner Festspiele zu sehen.
dpa
Johnny Oritz ist erst 19 Jahre alt und hat bereits seine erste Hauptrolle im Film „Soy Nero“, der im Wettbewerb gezeigt wurde. Darin verkörpert er den mexikanischen Jungen Nero, der US-Bürger werden will. Oritz hat eine besondere Verbindung zum Thema: Seine Familie ist auch in die USA migriert.
dpa
Der Schauspieler Gérard Depardieu bewarb am Freitag „Saint Amour“. Der Film gewann keinen Bären, er lief außer Konkurrenz.
reuters
Dieter Kosslick, als Berlinalechef vielleicht das größte Ego-Netzwerk des Abends, wäre bei dem Empfang übrigens beinahe auf die schiefe Bahn geraten. Im Untergeschoss, einer Art riesigem Partykeller, wollte er sich auf eine niedrige Mauer setzen, die aber zu abschüssig war. Er rutschte ab und konnte sich gerade noch fangen. Also, irgendwie war das schon so ziemlich das Aufregendste, was es von dieser Party zu berichten gab. Lustig war‘s trotzdem.
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