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Burundi kurz vor dem BürgerkriegRebellenaufmarsch im Untergrund

Die Afrikanische Union berät über die Entsendung von Friedenstruppen. Längst haben sich bewaffnete Gegner des Präsidenten Nkurunziza organisiert.

Umzingelt und isoliert: Burundis Präsident Pierre Nkurunziza, hier beim Burundi-Besuch des UN-Sicherheitsrats. Foto: reuters

BRÜSSEL taz | Am Wochenende berät der Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopien über die Entsendung einer Eingreiftruppe nach Burundi. Von bis zu 5.000 Soldaten ist die Rede – aber die Chancen, damit einen Bürgerkrieg abwenden zu können, stehen schlecht. Burundis Regierung lehnt eine AU-Truppe schon im Vorfeld als „Invasions- und Besatzungsmacht“ ab. Eine Lösung der Krise, die durch die umstrittene Wiederwahl von Präsident Pierre Nkurunziza zu einer dritten Amtszeit im vergangenen Jahr entstand, ist damit weiterhin nicht in Sicht.

„Wir befinden uns schon im Bürgerkrieg“, sagt der Exilant Alexis Sinduhije, ehemaliger Journalist und Leiter der Oppositionspartei MSD (Bewegung für Solidarität und Demokratie). Seiner Schätzung nach fallen pro Monat 130 Menschen politischer Gewalt zum Opfer. „Nkurunziza wird die Rebellenbewegungen, die gerade entstehen, nicht vernichten können. Das schwelt schon seit acht Monaten, und diese Bewegungen werden allmählich stärker werden.“ Sinduhije dementiert, selbst diesen Rebellen anzugehören.

Es gibt keine geeinte bewaffnete Opposition in Burundi. Zwei bewaffnete Gruppen gab es schon vor der aktuellen Krise – Dissidenten der letzten burundischen Hutu-Guerilla FNL (Nationale Befreiungskräfte), deren Chef, Agathon Rwasa, bei den Wahlen 2015 gegen Nkurunziza antrat und danach den Posten des Vizeparlamentspräsidenten annahm.

Eine der Dissidentengruppen führt der Warlord Aloys Nzabampena; sie versammelt nach Oppositionsangaben rund 600 Kämpfern in zwei Basen in der Demokratischen Republik Kongo nahe der burundischen Grenze – eine nahe der Zuckerraffinerie Kiliba im Ruzizi-Flusstal, eine auf den Hügeln über der kongolesischen Grenzstadt Uvira, von wo aus man Burundis Hauptstadt überblicken kann. Die andere Gruppe unter Nshuti Baranyaka operiert weiter südlich nahe Fizi.

Möglicher Schulterschluss der Rebellengruppierungen

Die neuen Gruppen gehen auf den gescheiterten Militärputsch gegen Burundis Präsident Nkurunziza im vergangenen Mai zurück, nach dessen Niederschlagung viele beteiligte Soldaten untertauchten. Putschführer Godefroid Niyombare, langjähriger Armee- und Geheimdienstchef unter Nkurunziza, wird seitdem von Burundis Regierung als Rebellenchef dargestellt.

Er selbst schwieg dazu, bis er im Januar als Koordinator einer Rebellengruppe Forebu (Republikanische Kräfte Burundis) genannt wurde. Deren Stabschef soll Oberst Jules Ndihokubwayo sein, der im burundischen Kontingent der AU-Eingreiftruppe in Somalia gedient hat. Die Forebu soll vor allem Offiziere versammeln, die sich im Kampf gegen die islamistischen Shabaab-Rebellen in Somalia hervorgetan haben. Sie soll Kämpfer im Kongo sowie im Umland der Hauptstadt Bujumbura stehen haben.

Nkurunziza wird die Rebellen nicht vernichten können

Alexis Sinduhije, Oppositionsführer

Eine vierte Gruppe RED-Tabara (Widerstand für den Rechtsstaat in Burundi) soll Hutu- und Tutsi-Jugendliche aus Sinduhijes Partei MSD und anderen zivilen Organisationen vereinen. Und im Kibira-Wald im Nordwesten Burundis soll eine UFPR (Union der Revolutionären Patriotischen Kräfte) aktiv sein; ihr Chef Emmauel Manihiro soll im Kongo verhaftet worden sein.

All diese Grüppchen seien im Begriff, sich zusammenzuschließen, sagt Innocent Muhozi, ehemaliger Chef des von der Regierung geschlossenen Fernsehsenders Renaissance. Sinduhije spricht von einer „Dynamik innerhalb Burundis und auch außerhalb, vor allem im Kongo“. Die Anspannung werde auch außerhalb der Hauptstadt Bujumbura, wo es bereits jeden Tag Tote gibt, zunehmen.

Vorwürfe der Regierung Burundis, wonach diese Rebellen vom Nachbarn Ruanda und seinem Tutsi-Präsidenten Paul Kagame unterstützt würden, um den Hutu Nkurunziza zu stürzen, weisen die Oppositionellen zurück. „Wenn Ruanda wirklich hinter diesen Gruppen stünde, wäre das Problem Nkurunziza bereits gelöst“, sagt Sinduhije.

Er ist auch sehr zurückhaltend gegenüber den von UN-Verantwortlichen geäußerten Sorgen, wonach Burundi sich in Richtung Völkermord bewege. „Es gibt Tötungen mit Völkermordcharakter, aber man darf sich nicht selektiv aufregen. Von einem Völkermord an Burundis Tutsi zu sprechen, wäre selektiv. Nkurunziza tötet jeden, Hutu wie Tutsi. Es gibt kein Kalkül der Auslöschung der Tutsi. Es gibt ein Kalkül der Auslöschung all seiner Gegner.“

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