Die Gesellschaftskritik: Umkleidekabinen für Rohani
Was sagt uns das? Aus Rücksicht auf den Glauben des iranischen Präsidenten verhüllen italienische Behörden nackte Statuen
Fast könnte man sie für Bilder von Umkleidekabinen halten. Hinter grauen Plastikwänden schaut ein ebenso grauer Haarschopf hervor. Die steinernen Säulen und der Marmorboden verraten jedoch: Die Aufnahmen stammen nicht aus einem Textildiscounter, sondern aus den Kapitolinischen Museen in Rom.
Italienische Behörden haben mehrere nackte Skulpturen verhüllen lassen, der italienischen Nachrichtenagentur Ansa zufolge aus Respekt vor der Kultur und den religiösen Gefühlen des muslimischen iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Der war am Montag in Rom zu Gast, traf sich mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und trat am Abend in den Museen vor die Presse. Es war der erste Auslandsbesuch Rohanis nach Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen den Iran. Da will der Gastgeber natürlich alles richtig machen. Zusätzlich zu den Boxen gab es keinen Alkohol beim Abendessen.
Mit dem vorauseilenden Gehorsam haben die Behörden jedoch weder sich noch Rohani einen Gefallen getan. Ihr übervorsichtiges Handeln befeuert nur die Vorurteile derer, die meinen, das christliche Abendland würde vor dem Islam kapitulieren. Ob Rohani das Versteckspiel überhaupt befürwortet, ist nicht bekannt.
Ebenso wenig ist überliefert, ob Irans Präsident ein Kunstkenner ist. Schließlich handelt es sich bei den verhüllten Statuen lediglich um Kunst. Und deren Beurteilung obliegt bekanntlich den Augen des Betrachters. Wie Rohani zu den Statuen in den Kapitolinischen Museen steht, wird man dank der italienischen Behörden jedoch nie erfahren. ROM
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