Abschiebungen von Roma und Afghanen: Aus dem Bett gerissen
Die Ausländerbehörde hat in der vergangenen Woche mehrere Dutzend Menschen abgeschoben, darunter einen Mann, der schon mehr als 20 Jahre hier lebte.
Unter den Abgeschobenen sind auch Mitglieder der Gruppe Romano Jekipe Ano (Vereinigte Roma) Hamburg, die auf sich aufmerksam machte, indem sie den Michel symbolisch besetzte und gegen die Abschiebung von Roma auf den Balkan protestierte. Die Minderheit wird dort häufig diskriminiert und die Menschen leben unter erbärmlichen Bedingungen. Noch heute wohnen nach Auskunft ihres Sprechers Isen Asanovski 51 Mitglieder der Gruppe in kirchlichen Räumen.
Mindestens zwei Roma-Familien aus anderen Stadtteilen seien aber abgeschoben worden, sagt Asanovski. „Wir hatten keine Kraft, sie zu retten“, bedauert er. Die Gruppe „2016 refugee support“ wirft der Polizei vor, bei Abschiebungen in Billstedt gewaltsam gegen die Menschen vorgegangen zu sein. Dabei sei ein Mädchen geschlagen worden. Die Familie habe ihre Habseligkeiten nicht packen dürfen und die Handys abgeben müssen. Der Ausländerbehörde war der Vorfall nicht bekannt.
Der Mann, der nach Serbien abgeschoben wurde, hat laut Asanovski vier erwachsene Kinder, die in Deutschland geblieben seien. Die Duldung des Mannes sei noch nicht abgelaufen. Er verstehe nicht, warum der Mann dann 540 Euro für seine Abschiebung bezahlen müsse.
Nach Darstellung der Ausländerbehörde hatte der Mann keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Das habe das Verwaltungsgericht festgestellt. Er sei nicht erwerbstätig gewesen. Seine Duldung sei mit einem Flugtermin erloschen. „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Abschiebung rechtswidrig ist“, sagt Norbert Smekal, der Sprecher des Einwohnerzentralamtes.
Im Dezember 2015 versuchte die Ausländerbehörde 427 Menschen außer Landes zu bringen.
In 86 Fällen blieben die Menschen trotzdem, 18 Personen, weil sie nicht angetroffen wurden, weitere 13 aus medizinischen Gründen, zwölf waren untergetaucht, elf leisteten Widerstand.
Der größte Teil (262 Personen) der Ausgereisten ging „freiwillig“, 67 wurden in ihr Herkunftsland abgeschoben, zwölf in Drittländer.
Zum Fall der afghanischen Familie vom Kiwittsmoor konnte Smekal nichts sagen. Die Helferinitiative berichtet, dass rund 20 Polizisten die Unterkunft in Langenhorn umstellten. Einige seien in das Zimmer der schlafenden Familie mit einem zweijährigen Kind eingedrungen und hätten sie aufgefordert, ihre Sachen zu packen. Nur dem Umstand, dass die 19-jährige Mutter kurz vor einer weiteren Entbindung stehe, sei es zu verdanken, dass die Abschiebung ausgesetzt wurde.
Das junge Ehepaar und ihr kleiner Sohn hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen. „Warum werden sie wie Schwerverbrecher behandelt?“, fragt Willkommen-Kiwittsmoor. Für die Ehrenamtlichen aus der Nachbarschaft, die sich für das Wohl der Bewohner einsetzten, sei das Verhalten der Innenbehörde inakzeptabel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück