: Hausverbot am Lageso wegen einer Skihose
ÖFFENTLICH Eine Freiwillige berichtet auf Facebook von Schikanen und löst eine Empörungswelle aus
Jorinde Leonhardt
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat bei Facebook-Nutzern keinen guten Ruf. Hunderte LeserInnen kommentieren und verbreiten regelmäßig Berichte über die Zustände in der Flüchtlingsanlaufstelle, die unter anderem in der Gruppe „Moabit hilft“ (15.000 Mitglieder) veröffentlicht werden. Doch die Resonanz auf diesen Post ist selbst für Facebook-Verhältnisse bemerkenswert: „Ich habe soeben Hausverbot im Lageso bekommen!“, begann die Helferin Jorinde Leonhardt ihren Bericht. Sie und einige andere Freiwillige seien am Donnerstagabend von einem Sicherheitsmann der Firma Gegenbauer hinausgeworfen worden, schrieb sie in der Nacht auf Freitag, nur weil sie im Essenszelt einem kleinen Jungen eine Skihose habe anziehen wollen. Die Empörung im sozialen Netzwerk ist einhellig: Bis Sonntagnachmittag wurde der Bericht mehr als 24.000-mal geteilt.
Nicht pauschalisierend
Die Sozialverwaltung und der Krankenhausbetreiber Vivantes, der in dem Zelt Essen verteilt, wiesen die Vorwürfe zurück. Es sei kein Hausverbot erteilt worden, erklärte ein Sprecher der Senatsverwaltung am Freitag. Doch Leonhardt bleibt dabei: Sie habe Zeugen dafür, schrieb sie Freitagabend in einem zweiten Post, und sie könne auch den Sicherheitsmann von Gegenbauer benennen, der den Verweis ausgesprochen habe. Die Helferin, nach eigener Darstellung seit Monaten am Lageso aktiv, betonte, dass sie nicht „pauschalisiere“. Bei den Sicherheitsleuten seien „auch richtig tolle Menschen darunter! Aber eben leider auch solche, wie gestern.“ In ihrem ersten Post hatte sie berichtet, dass ein Gegenbauer-Mann einer anderen Helferin gesagt habe: „Wem wollen Sie denn helfen? Den Ratten?“
Während dieser Ausspruch in den Facebook-Kommentaren vielfach als Ausdruck von rechtsradikaler Gesinnung gewertet wurde, erklärte der Sprecher der Sozialverwaltung im Tagesspiegel, der Sicherheitsmann habe damit nicht die Flüchtlinge, sondern „die tatsächlichen Ratten gemeint, von denen es auf dem Gelände nicht wenige gibt“. Darauf reagierten UserInnen mit der hämischen Bemerkung, es sei doch merkwürdig, dass mit Hygiene-Argumenten das Hosenanziehen verboten sei an einem Ort, wo angeblich Ratten herumliefen.
Auch die Erklärungen einer Vivantes-Sprecherin zu dem Vorfall sind offenbar strittig. Sie hatte der Nachrichtenagentur dpa gesagt, es sei nicht verboten, in dem Zelt Kleidung anzulegen. An besagtem Abend hätten aber mehrere Personen versucht, dort Kleidung zu verteilen. Zum Schutz vor Infektionen und aus hygienischen Gründen sei dies jedoch im Essenszelt untersagt. Der Sicherheitsdienst habe dieses Verbot durchgesetzt.
Leonhardt dagegen sagte dem Tagesspiegel, es sei nicht wahr, dass mehrere Personen versucht hätten, Kleidung zu verteilen. „Ich wollte nur dem frierenden Jungen eine Hose anziehen.“ Für die junge Frau ist der Fall der Gipfel einer langen Reihe von Schikanen, die sie in den letzten sieben, acht Monaten erlebt habe. „Und so geht es jedem Helfer“, schreibt sie.
Tatsächlich war das Lageso den Freiwilligen am Anfang mit bürokratischem Misstrauen begegnet. So kam, als die HelferInnen im vorigen Sommer begannen, Essen an die wartenden Flüchtlinge auszuteilen, als erstes das Gesundheitsamt vorbei und machte Hygieneauflagen.
Inzwischen hat die Behörde einige Verbesserungsvorschläge der HelferInnen – wie die Wartezelte – umgesetzt. Dennoch und trotz der Veränderungen beim „Wartemanagement“ häufen sich in letzter Zeit die Berichte über verzweifelt wartende unversorgte Flüchtlinge. So schrieb ein Mitglied von „Moabit hilft“ vorigen Mittwoch: „Zwei Frauen, schwanger 7 & 8 Monat, bekommen von uns Lebensmittel-Gutscheine, da sie seit dem 22. Dezember versuchen, in das Lageso vorzudringen.“
Und auch Leonhardt geht – Hausverbot hin oder her – weiter zum Lageso. Am Sonntagmittag postet sie ihren Bericht von der Nacht zuvor. Obwohl bereits 50 Flüchtlinge dort seien, neue und solche, die sich bereits für Montag anstellten, sei niemand von Vivantes, die eine 24-Stunden-Versorgung versprochen hätten, anwesend. Empört fragt sie: „Wir reden hier von hygienischen Vorschriften, während Menschen hungern und frieren?“ Susanne Memarnia
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