: Zoff um Fußballgewalt
INNERES Die Polizeistrategie gegen gewaltbereite Fußballfans stößt auf Kritik bei Grünen und Linken – aber auch Polizeipräsident Lutz Müller setzt auf Deeskalation
von Simone Schnase
Als „Anleitung zum Unglücklichsein“ bezeichnete Wilko Zicht (Grüne) in der Innendeputation am vergangenen Donnerstag den Empfang von gewaltbereiten Werder-Fans durch die Polizei am Bremer Hauptbahnhof im November. Zuvor hatten die massiv auf dem Bahnhof Hannover randaliert, weil sie nicht wie geplant zum Bundesligaspiel nach Wolfsburg weiterreisen durften, sondern zurückgeschickt wurden – um sich dann in Bremen mit der Polizei zu bekriegen.
Und die BeamtInnen sollen nun selbst Schuld gewesen sein? So zumindest konnte man Zicht verstehen. Flaschenwürfe, sagte er, habe es immer schon gegeben, da könne man nun nicht von einer neuen Dimension der Gewalt reden, wie es der CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinners behauptet hatte. Vielmehr sei dahingestellt, ob es sinnvoll gewesen sei, die Fans überhaupt von der Polizei zu empfangen: „Das war ein Zusammentreffen von frustrierten Fans und frustrierter Polizei“, so Zicht, „das dient nicht der Verhinderung von Vorfällen wie denen in Bremen.“
Die 40-köpfige Fangruppe lief geschlossen auf der Straße und behinderte so den Verkehr und den ÖPNV. Die PolizistInnen wurden beleidigt sowie mit Steinen und Flaschen beworfen. Die Polizei reagierte mit Platzverweisen und Ingewahrsamnahmen. Gegen sieben der Randalierer laufen außerdem Strafverfahren wegen Körperverletzung, Missbrauchs von Nothilfemitteln, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch aufgrund der vorherigen Ausschreitungen in Hannover.
Kein Wunder also, dass Zicht Lack von allen Seiten bekam, nicht zuletzt auch im Nachgang von der Gewerkschaft der Polizei, die sich am Freitag in einer Pressemitteilung „entsetzt“ zeigte. Nur Rechtsanwalt Horst Wesemann, Deputierter der Linksfraktion und Strafverteidiger des inhaftierten Ultras Valentin S., pflichtete ihm bei: Statt des Eingreifens der Bremer Polizei hätte man vielleicht besser die kurzzeitige Störung des Verkehrs in Kauf nehmen sollen, sagte er. Und bemerkenswerterweise schlug auch Polizeipräsident Lutz Müller durchaus versöhnliche Töne an.
Zuvor hatte sein oberster Dienstherr, Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), von „einer bürgerkriegsähnlichen Situation“ am Bahnhof gesprochen, von einer „neuen Qualität von Angriffen, die auch ältere, wenig bewaffnete Polizisten treffen“ –und davon, dass er nicht mehr daran glaube, „dass Fanprojekte diese Leute erreichen können“.
„Fußball folgt eigenen Regeln“, erwiderte Müller. „Ich hoffe ein wenig auf die Selbstregulierung der Ultras, die das Eingreifen der Polizei unnötig machen könnte – vielleicht kriegt man das ja hin.“ Er setze auf Deeskalation und weiterhin darauf, mit dem Fanprojekt, der Polizei und der Politik „gemeinsam das Feld weiter zu beackern.“ Er wolle Gewalt gegen Polizei auch nicht an Fußballfans festmachen, die gebe es auch in anderen Bereichen, „und überall ist die Verharmlosung und Relativierung von Gewalt gegen die Polizei in der Gesellschaft schlimm.“
Zicht ruderte dann auch zurück: „Natürlich sind derartige Gewaltaktionen inakzeptabel, da gibt es auch nichts zu relativieren.“ Gerade Werder-Fans sollten sich aufgrund des Todes des Fußballfans Adrian Maleika, der in den achtziger Jahren von rechten Fans durch einen Steinwurf getötet worden war, über die möglichen Folgen solcher Gewalttaten bewusst sein. Es sei aber nun eben auch die Aufgabe der Innendeputation, die Einsatztaktik der Polizei zu beurteilen.
In der Tat hatten die BeamtInnen sich zwar laut Müller „auf Wunsch der Bundespolizei“ am Bremer Hauptbahnhof aufgestellt – fraglich bleibt jedoch, ob sie diesem Wunsch auch hätte entsprechen müssen. „Und auch in Hannover“, sagt Zicht gegenüber der taz, „hat sich gezeigt, dass eine Null-Toleranz-Strategie wenig Sinn hat.“ Die Fans seien nach Bremen zurückgeschickt worden, weil sie schwarzgefahren seien. „Wenn man sie hätte nachlösen lassen und nicht an der Weiterfahrt gehindert hätte, wäre es wohl nicht zu solchen Ausschreitungen gekommen.“
Dass er in der Innendeputation viel Widerspruch von Mäurer und erstaunlich wenig von Müller erhalten hat, sei Zicht nicht weiter aufgefallen: „Es ist ja bekannt, dass beide eine ganz andere Wortwahl pflegen“, sagte er, „auch wenn sie oft das Gleiche meinen.“
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