: "Ein würdiges Ankommen ermöglichen"
Flüchtlinge Weil der Senat zu technokratisch agiere, entwickelt Bündnis Ideen zur Unterbringung
44, Mitarbeiter der „Gemeinwesenarbeit St. Pauli-Süd“ und Mitglied des Vorbereitungskreises der Tagung.
taz: Herr Jörg, ist Hamburg nicht längst eine Stadt des Ankommens? Es kommen doch täglich Hunderte Menschen.
Steffen Jörg: Ja, de facto ist es das. Aber wir wollen mit der Tagung in den Diskurs darüber kommen, wie die Stadt ein würdiges Ankommen ermöglichen kann, und auch ein Bleiben. Also entgegen der Praxis, Flüchtlinge in Baumärkten am Stadtrand unterzubringen. Das heißt, es geht um das „Wie“ des Ankommens.
Wie kann man Massenunterkünfte verhindern, wenn man jeden Monat 5.000 Menschen unterbringen muss?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Wir reden über eine Stadt, in der es nach meiner Kenntnis eine Million Quadratmeter Büroleerstand gibt, in der die Saga allein 1.300 leer stehende Wohnungen hat. Fakt ist, dass der Senat in den letzten Jahren die Wohnfrage sträflich vernachlässigt hat. Insofern haben wir jetzt alles andere als eine sogenannte Flüchtlingskrise – wir haben eine Krise des Wohnens, der Stadtentwicklung.
Wie kann eine Stadt des Ankommens aussehen?
Ich glaube, es ist eine Stadt mit gleichem Recht für alle, in der die Ankommenden und auch alle anderen in menschenwürdigen Wohnungen untergebracht werden. Wir reden von kleinteiligen und dezentralen Lösungen und über soziale Infrastruktur – also den freien Zugang zu Bildung und zu Kultur. Das sind alles offene Punkte, zu denen die Antworten aus der etablierten Politik fehlen.
Wer hat die Tagung initiiert?
Der Vorbereitungskreis ist breit: Das geht über gewerkschaftliche Strukturen, Hochschulen, Initiativen und soziale Einrichtungen, die in der Flüchtlingsunterstützung aktiv sind.
Was gab den Anstoß zu diesem Zusammenschluss?
Es sind alles Leute und Gruppen aus der Zivilgesellschaft, die in ihrer Arbeit mit dem Thema konfrontiert sind. Wir wollen jenseits der herrschenden Politik in den Diskurs kommen – über eine gemeinsame stadtentwicklungspolitische Perspektive.
Warum wollen Sie die Behörden nicht dabei haben?
Das, was wir wahrnehmen, ist, dass die etablierte Politik sehr technokratisch und bürokratisch mit der Thematik umgeht. Wir wünschen uns einen anderen Umgang. Es gab den expliziten Wunsch, aus einem breiten gesellschaftlichen Bündnis gemeinsam Perspektiven zu entwickeln.
Entlässt man so nicht die Stadt aus ihrer Verantwortung?
Das ist immer die Ambivalenz ehrenamtlicher Arbeit. Es geht nicht darum, alles selbst zu machen. Wir wollen den Diskurs anstoßen. Es wird am Ende auch eine Erklärung geben, einen Forderungskatalog an die Politik, in dem wir aus unserer Sicht die Bedingungen für eine Stadt des Ankommens aufzeigen. Interview: KSCH
Tagung „Stadt des Ankommens“: 14.30 bis 22 Uhr, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Alexanderstraße 1
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