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Das Ende eines Lokal-MediumsMagere Meinungsvielfalt

Das Onlinemagazin „Oldenburger Lokalteil“ lieferte unabhängigen Lokaljournalismus, ist aber trotz guter Resonanz mangels Kohle erst einmal Geschichte.

Der „Oldenburger Lokalteil“ wollte die mediale Vielfalt in der Stadt stärken – und ist gescheitert. Foto: Friso Gentsch / DPA

OLDENBURG taz | Das war es mit dem Oldenburger Lokalteil. Die Unternehmergesellschaft ist gelöscht, das Portal offline. Eine Gruppe von Journalisten, Filmemachern, Künstlern und Cartoonisten hatte das Onlinemagazin 2011 gestartet. Ihnen war die tägliche Berichterstattung nicht vielfältig genug, unter anderem, weil es mit der Nordwest Zeitung (NWZ) nur eine lokale Tageszeitung mit fester Stadtredaktion gibt. „Wir wollten ergänzen, Hintergründe aufgreifen, hinterfragen“, sagt Mitbegründer und Filmemacher Amon Thein.

Zwei Jahre lang bearbeitet das Team Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Dabei war auch Felix Zimmermann, damals freier Journalist in Oldenburg. Heute ist er Ressortleiter der sonntaz: „Vieles fand sich bei uns exklusiv, etwa der Umbau der Weser-Ems-Halle und dessen Folgen.“ Auch die Pläne für den Bau eines neuen Einkaufszentrums mitten im Stadtzentrum habe der Lokalteil aufgegriffen.

„Außerdem haben wir die Vorteile eines Onlinemediums genutzt und mit Formaten gespielt“, sagt Amon Thein. Ratssitzungen kommentierte die Redaktion via Liveticker, dem bis zu 1.000 Menschen folgten. Zum Teil lasen laut Felix Zimmermann auch die Ratsmitglieder auf Tablets und Smartphones mit. „Eine tolle Zeit, weil wir Geschichten erzählen konnten, die direkt vor der Haustür stattfanden und es unmittelbare Reaktionen gab“, sagt er.

Trotzdem gerieten die Redakteure bald an ihre Grenzen, weil sie ehrenamtlich arbeiteten. „Wir haben das teils nachts und am Wochenende gemacht“, sagt Amon Thein. Zwar habe sich ein kleiner, fester Kreis aus Spendern und Anzeigenkunden gebildet, der war aber zu klein, um die Arbeit zu entlohnen. „Man kann nicht ewig auf Leidenschaft brennen“, sagt Thein.

Felix Zimmermann sieht mehrere Gründe für das Finanzierungsproblem. Zum einen hätten Firmen gezögert, Anzeigen zu schalten – offenbar aus Angst, Anzeigenrabatte bei der NWZ zu verlieren. „Das hörten wir oft“, sagt er. „Ob was dahinter steckt, weiß ich nicht.“ Zum anderen sei wohl vielen Lesern nicht klar gewesen, dass der Lokalteil Unterstützung brauche: „Die Menschen sind gewohnt, dass ihnen Inhalte online kostenlos zur Verfügung stehen.“ Hinzu kam noch, dass Redaktionsmitglieder Oldenburg 2013 aus beruflichen Gründen verließen. Das Resultat war eine Schaffenspause, die nun keine Pause mehr ist.

Damit wickelt die Nordwest-Zeitung weiterhin einen Großteil der täglichen Berichterstattung ab. Zwar erscheinen noch die Anzeigenblätter Hunte-Report und Sonntagszeitung. Allerdings gehört die dahinter stehende NWMP GmbH zur Nordwest-Wochenzeitungen GmbH & Co KG. Und die ist wiederum eine Holding der NWZ-Mediengruppe, wie online auf den Unternehmensseiten nachzulesen ist.

Ergänzt wird das nur durch den Bürgersender Oeins und Berichte des NDR. Eine schlechte Basis für unabhängige Meinungsbildung, findet Zimmermann. Für Meinungsbildung brauche es Vielfalt und Unabhängigkeit.

Eigentlich Grund genug, um den Lokalteil wieder aufleben zu lassen. „Aber nicht ohne feste Finanzierung“, sagt Thein. Und die lasse sich angesichts der vorherrschenden Online-Kultur und der Anzeigen-Vormacht der NWZ schwer aus dem Boden stampfen. Und Crowdfunding nach Art der Krautreporter? „Das war vor zwei Jahren noch nicht so etabliert“, sagt Zimmermann. „Heute würden wir das aber einbeziehen.“

Auch ein freiwilliges Bezahlmodell, mittlerweile bei vielen Onlinemedien gängig, sei vorstellbar. Heute. Klingt, als sei das Kapitel Lokalteil doch nicht geschlossen. „Wäre ich wieder in Oldenburg, würde ich den Ball sofort wieder aufnehmen“, sagt Zimmermann Aber bis dahin bleibt es wohl bei der mageren Meinungsvielfalt.

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3 Kommentare

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  • Die vermeintliche "Kostenloskultur" im Internet muss mal wieder als Grund fürs Scheitern herhalten. Das ist immer wieder dann der Fall, wenn eine selbstkritische Reflexion nicht stattfindet. Dabei bestand - von außen betrachtet - beim Lokalteil wohl eher der Geburtsfehler darin, dass man sich nie über ein wirkliches Geschäftsmodell Gedanken gemacht hat. Eins, mit dem man auf die Besucher der Seite hätte zugehen können. Auch Crowdfounding, das sicher nicht alle Probleme für alle Zeit gelöst hätte, war vor zwei Jahren als Anschubfinanzierungsmodell entgegen der zitierten Äußerungen sehr wohl schon etabliert. Mehr oder weniger darauf zu warten, dass von außen irgendeine Resonanz in Form von größerer finanzieller Zuwendung kommt, ist hingegen naiv.

     

    Einzig nachvollziehbar erscheint mir, dass eine Finanzierung über das Anzeigengeschäft speziell in Oldenburg äußerst schwierig ist. Die Stammleserschaft hätte man aber sicherlich weitaus stärker zu regelmäßigen Abgaben motivieren können. Das geht aber nicht mit jammerläppischer Rhetorik.

     

    Das in diesem Artikel nur am Rande erwähnte Wegbrechen der inhaltlichen Substanz (jenseits von kulturellen Themen) durch zwei wesentliche Abgänge war am Ende tatsächlich ausschlaggebend für die Einstellung des Lokalteils. Um es klar zu sagen: Der Lokalteil war das mit Abstand beste journalistische Online-Medium, das es bisher in der Stadt gab. Es wäre, wenn irgendwann nochmal ein Neustart erwogen wird, mit einem Finanzierungsmodell und ohne Selbstausbeutung.

  • Im Bericht fehlt eine Erwähnung der Oldenburger Onlinezeitung, die auch nicht zum NWZ-Kartell gehört.