Alternative Wirtschaftswissenschaft: Postwachstum bleibt auf der Agenda

Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung bearbeitet Fragen, die dem Mainstream egal sind. Bei der Energie hat sich das geändert.

Blick vom Fluss auf zwei beleuchtete Kühltürme

Die Thesen des IÖW zum Ausstieg aus der Atomkraft waren der Bundesregierung in den Anfangsjahren des Instituts zu „forsch“: Akw Grohnde. Foto: dpa

BERLIN taz | Die Alternativbewegung hat viele Blüten getrieben, von denen nicht alle lange hielten. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin, das sich in dieser Transformationsszene erst spät entwickelte, hat es geschafft: Es wird in dieser Woche 30 Jahre und feiert das am 3. November mit der Konferenz „Kern-Geschäfte: Wie Unternehmen sozial-ökologischen Wandel gestalten können“.

„1985 waren die bestehenden Ökoinstitute in Deutschland eher naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtet“, erinnert sich Reinhard Pfriem, heute Professor für Unternehmensführung und betriebliche Umweltpolitik an der Universität Oldenburg. „Ein Institut für ökologische Wirtschaftsforschung zu gründen, war ein Schritt ins Ungewisse.“ An staatliche Grundfinanzierung war nicht zu denken.

So ermöglichen damals zwölf private Gesellschafter den Start des IÖW, Pfriem wird erster Geschäftsführer und richtet das Büro in seiner Wohnung in der Berliner Niebuhrstraße ein. Die Eröffnungstagung 1985 hat den Titel „Wege aus dem industriellen Wachstumsdilemma“.

1986 interessierten die IÖW-Thesen die Politik nicht

Ein Thema, das aktuell ist wie eh und je. Erfolgreicher ist das IÖW auf der Energiestrecke. Das erste große Gutachten über „Wirkungen eines Ausstiegs aus der Kernenergie“ wird 1986 vom Bundeswirtschaftsministerium bestellt. „Die Thesen des IÖW sind dem Auftraggeber allerdings zu forsch“, notiert die Instituts-Chronik. „Im Gegensatz zu einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung zum gleichen Thema beachtete das Ministerium das IÖW-Papier kaum.“

Heute hat die Energiewende die Lage verändert. Das IÖW ist auf 45 Mitarbeiter angewachsen. Das Budget beläuft sich 2015 auf rund drei Millionen Euro, die sämtlich über externe Forschungsaufträge hereinkommen, davon viele von den Bundesministerien für Forschung und Umwelt und dem Amt für Naturschutz.

„Wir erhalten nach wie vor keine öffentlichen Grundmittel“, sagt der heutige IÖW-Geschäftsführer Thomas Korbun. Die größten Wirkungserfolge sieht Korbun vor allem im BWL-Teil der Wirtschaftswissenschaft, der ökologischen Umsteuerung auf betriebwirtschaftlicher Ebene. Hier habe das IÖW mit seinen Beiträgen zum betrieblichen Umweltmanagement und der Ökobilanz „Meilensteine gesetzt“. Die Ökobilanz, nach der neben Kostenfaktoren Arbeit und Produktionsmittel auch die Wirkungen auf die Umwelt in die Gesamtrechnung einbezogen werden müssen, gehört inzwischen zum Regelwerk der technischen DIN-Normen.

Wirtschaftsforschung in Deutschland? Unflexibel

Trotzdem: Ökologisches Wirtschaften liegt zwar im Trend, ist aber noch kein Mainstream – schon gar nicht in der Wissenschaft. „Die Wirtschaftsforschung ist Deutschland ist immer noch sehr uniform“, stellt Korbun fest. „Vor allen bei der Lehre in den Hochschulen wäre mehr Vielfalt dringend angesagt“.

Welches seine Zukunfts-Themen sind, wird das IÖW auf seiner Berliner Tagung mit 180 Teilnehmern diskutieren. Auf dem Programm steht die Transformation von kompletten Märkten, nachhaltige Lieferketten im globalen Maßstabe und die einen „neue Kooperationskultur“ der sozial-ökologischen Unternehmen untereinander und mit ihren Kunden.

Und natürlich, wie schon am Anfang: das Wachstumsthema. „Wirken ohne zu wachsen? Wie Unternehmen neue Ziele verfolgen“, ist das Thema eines Workshops zum „Postwachstum“.

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