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Niedrige BenzinpreiseTanke schön!

Noch einmal gluck, gluck, gluck – so vollgetankt kommen wir nicht mehr zusammen. Und die Umwelt? Haben sich doch die in Paris drum gekümmert!

Der Dieselpreis ist unter einen Euro gerutscht. Foto: dpa

Es ist wie bei einem Säufer, dem schon lange klar ist, dass es so auf Dauer nicht weitergehen kann.

Er trinkt halt zu viel, und er weiß es. Er registriert die körperlichen Beeinträchtigungen. Er geht lieber nicht zum Arzt, um nicht noch mehr darüber zu erfahren. Warum auch, er hört ja eh auf. Bald. Ach was, nächste Woche schon. Nur am Wochenende, da trifft er sich noch mal mit den alten Kumpanen, da kann er natürlich nicht gerade jetzt auf Kräutertee umsteigen. Aber ab Montag dann ist Schluss. Ganz bestimmt. Was natürlich ein guter Grund mehr ist, am Samstag umso hemmungsloser zuzuschlagen. Ist ja zum letzten Mal. Wenn das kein Anlass ist! Und prompt gibt er sich die Kante wie niemals zuvor.

„Da können Autofahrer nur Tanke-schön sagen!“, bringt die Bild-Zeitung den aktuellen Rauschzustand auf deutschen Straßen mit wie immer besonders treffsicherer Idiotie auf den Punkt.

Während sich in Paris die Weltengemeinschaft auf einen historischen Klimavertrag geeinigt hat, schlagen die Autofahrer hemmungsloser zu denn je. Der Dieselpreis ist unter einen Euro gerutscht. Und alles ist genauso, wie die Umweltschützer es immer prognostiziert haben. Billiges Benzin führt zu mehr Verbrauch und weniger technischer Innovation. Im Vergleich zu 2007 ist der Kraftstoffverbrauch in Deutschland um 10 Prozent gestiegen, während der Verkauf von verbrauchsärmeren Autos jämmerlich hinterher hinkt, sämtlicher Klimaziele und umweltschonender Technologien zum Trotz. Von der Lage in den Schwellenländern mal ganz zu schweigen.

Ökologische Steuerreform? Nein Danke

Erinnert sich noch jemand an den Fünf-Mark-Beschluss der Grünen 1998 in Magdeburg? Damals wurde gefordert, der Benzinpreis müsse in den folgenden Jahren schrittweise auf 5 D-Mark erhöht werden. Für die Jüngeren: Das wären 2,50 Euro pro Liter gewesen.

Es folgte der vielleicht größte Shitstorm, den die Partei je erlebt hat, und das zu einer Zeit, als es noch gar keine Shitstorms gab. Heute würden prominente Grüne eher die Bombardierung irgendeines lästigen Kleinstaats beschließen, als sich nochmals ernsthaft an einer ökologischen Steuerreform die Finger zu verbrennen.

Dabei war sachlich alles richtig argumentiert. Der Benzinpreis müsse einfach die realen volkswirtschaftlichen Kosten einschließen, dann würde der Markt schon alles regeln. Überlegungen, die einem heute wie von einem anderen Stern vorkommen. Denn was uns die Neoliberalen seit Jahren als freien Markt verkaufen, ist natürlich nichts anderes, als dessen Aussetzung zugunsten von allerhand Partikularinteressen.

Autofahrer, die sich in völliger Verkennung der Realitäten traditionell als die Melkkühe der Nation betrachten, sind in Wirklichkeit deren Schlachter. „Lass dich nicht anzapfen!“ war der Slogan einer Gegenkampagne damals, die CDU-Generalsekretär Peter Hintze initiiert hatte. Wenn der Internationale Gerichtshof jemals die Verantwortlichen für die Verheerungen, die der Klimawandel noch anrichten wird, zur Rechenschaft ziehen würde, es wären solche Gestalten, die als Klimakriegsverbrecher in Den Haag abgeurteilt werden müssten – wenn die Stadt dann nicht längst abgesoffen wäre.

Aber Individualverkehr und Treibstoffverbrauch wachsen global betrachtet immer weiter, da können die Gletscher abschmelzen und die Sichtweiten in chinesischen Städten absinken, wie sie wollen. Doch bald schon hören wir auf mit dem Irrsinn. Ganz bestimmt.

Wir haben es uns fest vorgenommen, und es sogar aufgeschrieben in Paris. Damit wir uns auch wirklich daran erinnern. Bis es so weit ist, wollen wir aber noch ein letztes Mal einen draufmachen. Diesel für unter einen Euro! Da sagen wir doch von ganzem Herzen Tanke-schön.

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5 Kommentare

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  • So was kann auch nur jemand schreiben, der entweder sehr weltfremd ist oder sehr privilegiert UND weltfremd.

    Da wo ich wohne, gibt es nicht mal einen nennenswerten öffentlichen Nahverkehr - werktags 2mal Schulbus und fertig. Der nächste Bahnhof ist über 5 km weg, die Anbindung von dort ist lausig. Weit weg sind auch die nächsten Einkaufsmöglichkeiten, die öffentlichen Einrichtungen und Schulen. Zur Arbeit haben es fast alle weiter als 25 km.

    Ohne Auto kann man hier gar nicht existieren. Nicht weil man so viel Spaß daran hat und einem die Umwelt ganz furchtbar egal ist, sondern weil es schlicht nicht anders geht. Oder sollen jetzt alle jeden Morgen und jeden Abend 5 Kilometer zu Fuß zum Bahnhof gehen und dann noch einen beschwerlichen, stundenlangen Arbeitsweg mit den Öffis auf sich nehmen? Oder sommers und winters mit dem Fahrrad fahren? Wie sollen wir denn den Wocheneinkauf machen? Wie kommen wir überhaupt von A nach B, ohne daß es gleich eine Tagesreise wird?

    Das ist beileibe kein Einzelschicksal. Die meisten Menschen leben nicht in den bahntechnisch super angebundenen, rundum versorgten Metropolen, sondern irgendwo auf dem platten Land. Dort wurden schon vor Jahrzehnten Bahnstrecken abgebaut und Buslinien eingestellt. Hat sich halt nicht so rentiert, dafür hat die Bahn lieber ihre prestigeträchtigen Fernverkehr-Projekte durchgezogen. Uns Leidtragende jetzt auch noch als Umweltschänder in den Senkel zu stellen, weil wir es wagen, mobil sein zu müssen, das finde ich schon sehr zynisch.

    • @Läufer:

      Das ist immer so schön, wie bei dieser Argumentation die Kernaussagen verdreht werden und abseits jeglicher Faktenlage argumentiert wird. Die Forderung nach Benzinpreiserhöhung wird sofort als Angriff auf die persönliche Freiheit, ja fast schon als Absage an jeden weltlichen Luxus hochstilisiert.

      Der Autor hat doch in keiner Weise gefordert, dass man auf dem Land kein Auto mehr fahren dürfte? Selbst wenn das Benzin jetzt 10 Euro pro Liter kosten würde, dürfte der selbstbestimmte Bürger immer noch so viel fahren, wie er das möchte. Er muss eben nur, was auch jetzt schon der Fall ist, dementsprechend dafür zahlen.

      Außerdem ist es doch eine Tatsache, dass Menschen auf dem Land an anderen Stellen Vorteile haben, die in der Stadt fehlen. Mal abgesehen davon, dass der Autofahrer auf dem Land schon allein durch die vielen kostenlosen Parkmöglichkeiten Geld spart, so hat er in der Regel auch deutlich geringere Kosten für Miete und Wohnraum. Das sich jemand das Autofahren nicht mehr leisten kann, weil das Benzin jetzt 2 Euro mehr pro Liter kostet ist doch eine Illusion.

      Und ja auch auf dem Land gibt es Umweltschänder, die statt 5 Minuten zum Bäcker zu laufen (oder die gleiche Zeit mit dem Rad zu fahren) lieber ihr Auto ausfahren. Auch auf dem Land gibt es Leute, die bei billigen Benzinpreisen eher versucht sind, abends noch schnell zur Tanke zu fahren um Chips zu holen.

      Also um das nochmal zusammenzufassen: Es geht dem Autor sicherlich nicht darum, dass Auto abzuschaffen, sondern viel mehr darum, dass man verantwortungsvoll mit dem Auto umgeht. Auch auf dem Land kann man sich Benzinsparende Autos kaufen und auch auf dem Land kann man sich bei vielen Strecken überlegen, ob man sie wirklich mit dem Auto fahren muss oder doch lieber mit dem Fahrrad.

  • Was hat der Preis mit dem Verbrauch zu tun? Erstmal nix. Die Leute fahren ja eher selten mit dem Auto weil das fahren an sich Spaß macht sondern weil sie es brauchen um zum Einkauf, Arbeit oder Hobby zu kommen. Wer fährt weils Spass macht dem ist der Preis erstmal wurscht. Solang der öffentliche Nahverkehr scheiße ausgebaut, die Bahn teuer UND schlecht ist, braucht man sich nicht wundern wenn jeder der es sich leisten kann ein Transportmittel bevorzugt, mit dem man spontan losfahrn kann und das immerhin nach Flugzeug und ICE das schnellste Transportmittel ist. Hier in Frankfurt kann man noch einiges verbessern, aber bei dem hier vorhandenen RMV Netz braucht man idr kein Auto. Für die meisten Städte hierzulande gilt das nicht. Es ist also durchaus fair, wenn der Preis niedrig ist, damit von öffentlichen Investitionen in den Nahverkehr weniger bevorzugte Gegenden auch mobil sein können.

    • @Dideldidum:

      "Was hat der Preis mit dem Verbrauch zu tun?"

       

      "Solang [...] die Bahn teuer [...]"

       

      Auch die absolute Ausrichtung der Infrastruktur auf PKW-Verkehr zuungunsten der Fußgänger und Radfahrer sowie der Anwohner an sich ist ein weiteres Problem. Wer zum Bäcker fährt, weil er faul ist, das ist ein Ding. Aber daß man ohne Auto nicht mehr zum Bäcker kommt, ist das Ergebnis dieser verfehlten Politik.

       

      Und natürlich haben Sie Recht damit, wer fährt, der will auch ankommen, und zwar nicht irgendwann einmal nach einer Odyssee. Ein Treppenwitz, wenn jetzt(!) angegangen werden soll, daß weniger als 20 %(!) der Züge weniger als 6 Minuten (!) Verspätung haben aollen - irgendwann einmal.

  • Grundsätzlich richtig. Nur wie soll es in der Praxis aussehen? Eigentlich müsste der Staat erst mal für einen langfristigen, leichten, stabilen, vorhersehbaren Anstieg des Benzinpreises sorgen. Dafür müsste er selber Depots anlegen und so zumindest als Zwischenhändler fungieren. Auf der anderen Seite könnte er nun einfach mal Kerosin besteuern. Werden die Flüge halt teurer, aber dann fährt man jetzt halt wieder mit dem Auto in den Süden.

    Hinsichtlich der Verkaufszahlen verbrauchsärmerer Autos: da tappen Sie leider auch ins Fettnäpfchen, denn es macht aus ökologischer Sicht durchaus Sinn, die Lebenszyklen der Autos zu strecken, denn die bei der Produktion eingesetzte Energie muss auch erst mal "rausgefahren" werden.