Verwaltungschaos in Berlin: Bürgerämter wissen, was ein Notfall ist
Einen Termin zu bekommen, ist fast unmöglich. Immerhin ist jetzt klar, wann man sich auf dem Amt ohne Termin vordrängeln darf.
Sie wollen vor der aktuellen Krankheitswelle in Berlin fliehen, haben sogar schon einen Flug in die Südsee reserviert, aber keinen gültigen Pass mehr und natürlich keinen Termin auf dem Bürgeramt? Da gibt es Hoffnung. Denn Senat und Bezirke haben sich darauf geeinigt, wann Berliner sich ohne Vorbuchung im Internet in die chronisch überlasteten Bürgerämter setzen und einen Notfall anmelden können. Dazu gehören fehlende, aber zwingend erforderliche Dokumente für „bevorstehende Reisen“ und der „Verlust von Personaldokumenten“. Das geht aus der Antwort der Innenverwaltung auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dirk Stettner hervor. Wie unmittelbar die Reisen bevorstehen müssen, hingegen nicht.
Voraussetzung für den dokumentarischen Notfall ist, dass „berlinweit kein freier Termin buchbar ist“ – was allerdings der Normalfall ist, was die Innenverwaltung – etwas verklausuliert – auch zugibt: Der „Personalabbau und die durch Bevölkerungswachstum steigenden Kundenzahlen“ stellten die Mitarbeiter vor „Herausforderungen“, wie es so schön heißt, wenn nichts mehr geht. Tatsächlich geben die Bürgerämter für acht Wochen im Voraus Termine via Internet frei, die meist binnen Minuten vergeben sind.
Geschäft mit Terminen
In den vergangenen Monaten war es findigen Programmierern gelungen, mit frisch frei gegebenen Terminen – meist solchen, die kurzfristig abgesagt wurden – Handel zu treiben, was für große Empörung gesorgt hatte. Doch rechtlich scheint das Land dagegen machtlos zu sein. In der Antwort auf die Anfrage heißt es lapidar: „In erster Linie sollen Bürgerinnen und Bürger Termine vereinbaren.“ Na dann: Auf geht’s!
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