Spoiler für den neuen Star-Wars-Film: Der potenzielle Verrat
Die Industrie befeuert die Spekulationen kräftig: Wenn „Star Wars“ in den Kinos anläuft, wissen viele Fans ziemlich genau, was sie erwartet.
Am Donnerstag wird sich zeigen, ob sie recht haben; die „Star Wars“-Fans, die seit einem Jahr Informationen über den neuen Film sammeln und versuchen, den Plot zu rekonstruieren. Ihre Hauptquelle sind die offiziellen Teaser und Trailer, die von Disney veröffentlicht wurden. Aber auch heimlich aufgenommene Fotos vom Set, die Twitter-Accounts der Schauspieler, der Soundtrack und vorab veröffentlichte Fanartikel helfen bei der Spurensuche.
Es geht also um Spoiler, aber keine Sorge, in diesem Text werden keine stehen. Zwar bereitet manchen die detektivische Jagd nach den vorab veröffentlichten Hinweisen das größte Vergnügen. Andere aber versuchen, alles auszublenden und unvoreingenommen ins Kino zu gehen. Das allerdings wird immer schwieriger. Wer wirklich nichts über den neuen „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ erfahren wollte, der durfte im letzten Jahr weder auf Facebook noch ins Kino gehen, überall lauerte der potenzielle Verrat.
Die Studios spielen mit, um die Stimmung anzuheizen und die Spannung zu halten, inzwischen bei jeder großen Hollywood-Produktion; bei „Die Tribute von Panem“, „James Bond 007 – Spectre“ oder „Der Hobbit“. Es ist ein durchkalkuliertes Spiel zwischen Geheimniskrämerei und Informationsfluss: Filmsets werden abgeriegelt und bewacht, Schauspieler und Crew müssen Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben. Und dann wird Stück für Stück Material veröffentlicht. Bei Großproduktionen sind inzwischen 15 bis 20 offizielle Clips, Teaser und Trailer üblich. Um Filmtrailer hat sich längst eine eigene Branche gebildet mit spezialisierten Produktionsfirmen wie mOcean, The Dream Factory oder Trailer Park. Deren Arbeit begleitet das gesamte Filmprojekt.
„Manchmal werden wir schon in dem Moment beauftragt, in dem der Film bewilligt wird“, erzählt Matt Brubaker, Präsident der Kino-Abteilung bei Trailer Park. Immer häufiger wird Material speziell für die Trailer gefilmt. „Für ‚Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2“,haben wir einen Extraclip mit Rebellen und Katnis Everdeen produziert“, sagt Brubaker. Die besten Trailer werden, ähnlich den Oscars, jedes Jahr bei einer großen Zeremonie in Los Angeles mit den „Golden Trailer Awards“ ausgezeichnet.
Die Studios wissen genau, was sie tun, wenn sie wichtige Szenen in den Trailer packen: Umfragen haben ergeben, dass das Zuschauerinteresse steigt, je mehr vorab über einen Film bekannt wird.Bei „Star Wars“ bekommt der Hype, der im Vorfeld veranstaltet wird, eine völlig neue Dimension. Keine andere Filmreihe ist emotional so aufgeladen, hat so ergebene – man könnte auch sagen: besessene – Fans. Und kein anderes Film-Franchise hat je so viel Geld eingespielt – allein mit der Lizenz für Fanartikel werden jedes Jahr 2 bis drei Milliarden US-Dollar umgesetzt, berichtet das US-Wirtschaftsmagazin Forbes. Und das, obwohl die zwischen 1999 und 2005 angelaufenen Episoden I bis III viele enttäuscht haben – zu glatt, zu hölzern, zu kindisch.
Die Fans flippten komplett aus
Unerreicht bleiben der Charme und die epische Tiefe der drei Ursprungsfilme, die zwischen 1977 und 1983 ins Kino kamen, die zeitlich aber nach den später veröffentlichten Filmen spielen. Umso größer ist jetzt die Erwartung an „Star Wars: Das Erwachen der Macht“, der wiederum an die älteren Filme anknüpft und die Saga fortführt. Als 2012 die Fortsetzung der Reihe bekannt gegeben wurde, flippten die Fans komplett aus und haben sich bis heute nicht mehr beruhigt. Damals verkaufte Erfinder George Lucas seinen Medienkonzern Lucasfilm und die Rechte an „Star Wars“ für rund 4,2 Milliarden US-Dollar an Disney. Die kündigten die neue Trilogie – Episode VII bis IX – an und beauftragten Regisseur J. J. Abrams mit dem ersten Teil.
Abrams hatte schon „Star Trek“ (das ist das andere große Science-Fiction-Franchise, bloß nicht verwechseln!) erfolgreich im Kino wiederbelebt. Er kündigte an, sich an den alten „Star Wars“-Teilen zu orientieren. „Ich möchte den Film primitiver, aggressiver und rauer machen“, sagte er kürzlich dem Filmmagazin Empire, „eine Rückkehr zu den Lichtschwerterkämpfen, die mich als Kind so gefesselt haben.“
Über das Problem der Spoiler sagte er gegenüber Wired: „Es ist ein Drahtseilakt. Wenn wir zur einen Seite neigen, ist es schlecht, weil wir zu viel zeigen. Wenn wir zur anderen Seite neigen, ist es schlecht, weil wir nichts rausrücken und wie arrogante Arschlöcher wirken.“ Auch Fans stecken in diesem Dilemma. Einerseits gieren sie nach jedem Krümel aus der „Star Wars“-Welt – andererseits wünschen sie sich nichts sehnlicher als ein unvoreingenommenes Kinoerlebnis, so wie sie es als Kinder mit Episode IV bis VI erlebt haben.
Weit mehr als zehn offizielle Clips
Den ersten größeren Krümel gab es am 28. November 2014 in Form eines eineinhalbminütigen Teasers. Allein auf dem offiziellen „Wars“-YouTube-Kanal wurde er inzwischen fast 22 Millionen Mal angesehen. Er verriet schon einiges über den Look des Films und führte Figuren ein, deren genaue Rollen aber noch ungeklärt blieben.
Inzwischen gibt es weit mehr als zehn offizielle Clips und noch viel mehr Analysen im Netz, die jede einzelne Einstellung auseinandernehmen: Welche Schauplätze tauchen auf? Was weiß man über die Figuren? Wen meint Luke Skywalker, wenn er im zweiten Trailer sagt: „Die Macht ist stark in meiner Familie ... Auch du besitzt diese Macht“? Und was passiert überhaupt mit Luke Skywalker?
Für Aufregung sorgte auch die Veröffentlichung der Soundtrack-Playlist: Die deskriptiven Songtitel und ihre Reihenfolge verraten einiges. (Wir sagen nichts.) Dass auch Fanartikel Spoiler enthalten können zeigte ein „Star Wars“-Puzzle, dessen Produktbezeichnung auf Amazon das bis dahin ungeklärte Verhältnis zweier Figuren zueinander verriet. Im November wurden außerdem einige Bilder aus einem Kinderbuch öffentlich, das die Geschichte von „Das Erwachen der Macht“ nacherzählt und am 18. Dezember erscheinen soll. Auf Bitten von Disney wurden die Bilder wieder entfernt.
Detaillierte Beschreibungen
Zum offiziellen Material kommen die inoffiziellen Leaks: ein Video vom Filmset in England, aufgenommen mit einer Drohne, die über das abgeriegelte Areal flog. Heimlich aufgenommene Fotos vom Set in Abu Dhabi. Besonders hervorgetan hat sich die Website makingstarwars.net, die sich auf einen „Freund“ bezieht, der bei den Dreharbeiten dabei gewesen sein will.
Im Februar wurde hier ausführlich das Schicksal einer der Hauptfiguren erörtert, im Juli veröffentlichte der Chefredakteur der Seite eine extrem detaillierte Beschreibung der letzten Filmszene, zusammengetragen aus den bis dahin bekannten Informationen. Immerhin setzten makingstarwars.net und andere Seiten, die über Spoiler berichten – darunter auch Spiegel Online und der Guardian –, eine Spoiler-Warnung an den Anfang ihrer Texte.
Regisseur Abrams und die Schauspieler geben sich entspannt und spielen – zumindest ein bisschen – mit. Als im Frühsommer 2014 erste Fotos des „Millennium Falken“ (ein Raumschiff) durchgestochen wurden, veröffentlichte Abrams das Foto einer handschriftlichen Notiz auf Twitter, in der er darum bat, keine Gerüchte über den „Millennium Falken“ zu verbreiten. Der Gag: Der Notizzettel lag auf einem Hologramm-Schachbrett, wie es an Bord des „Millennium Falken“ zu finden ist. Mark Hamill machte auf Twitter Anspielungen über seinen Bart, die zu Spekulationen in der Fangemeinde führten. Anfang Dezember beantwortete Harrison Ford auf Twitter die Frage eines Fans nach seiner Lieblingsactionszene – und verriet dadurch ein neues Plotdetail.
Wer es also bis heute geschafft hat, keine Spoiler zu lesen, dem ist „Star Wars“ entweder völlig egal (danke, dass Sie trotzdem bis hierhin gelesen haben), oder er/sie ist ein extrem disziplinierter Fan. In dem Fall empfiehlt es sich, so schnell wie möglich ins Kino zu gehen. Denn ist der Film erst einmal veröffentlicht, gibt es kein Halten mehr.
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