Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Marseillaise auf Esperanto, Springteufel Gabriel, der olle Kirmesboxer Trump und Merkel, die kleine Raute Nimmersatt.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küpperbusch: Beim SPD-Parteitag war Merkel unumstritten.
Und was wird besser in dieser?
Beim CDU-Parteitag wird das anders.
Die StaatschefInnen haben sich in Paris geeinigt. Ist der Klimawandel damit vom Tisch?
Die Zustimmung von 196 Staaten hat was von Marseillaise-Singen auf Esperanto; „der Vertrag von Paris“ rühmt eine geschlagene Stadt. Das ist ein Signal für die Gegenwart – wie auch die konkludente Nachricht, dass es mit Kohle, Gas und Öl nicht weitergehen wird. Betrachtet man die aktuellen Konflikte um Gas und Erdöl und ihre Kriegsspur durch die Ukraine, Irak und Syrien – ist es ein ziemliches Kunststück kluger Diplomatie, das Ende der Ölmächte von den Ölmächten unterschrieben zu bekommen. Die Aussagen für die Zukunft sind entsprechend schwammig. Deshalb liegen Stärken eher im Anerkenntnis von Schäden, in der Zahlungszusage an ärmere Länder, die ein paar Jahrzehnte profitabler Industrialisierung überspringen sollen. Unterm Strich: Das Papier von Paris taugt exzellent dazu, nach dem Weltuntergang zu sagen: Es hätte klappen können.
Beate Zschäpe hat aussagen lassen: Sie kann nichts dafür, sie hat nur aus Liebe gehandelt. Hätte sie lieber schweigen sollen?
Jeder Angeklagte hat das Recht auf die bestmögliche Verteidigung. Gegner des Rechts haben zudem dringlich verdient, als Nutznießer ebendieses verhassten Rechts vorgeführt zu werden. Mehr gibt’s nicht, tut mir leid, Zschäpe führt ihrem braunen Bekanntenkreis vor, wie klasse der Rechtsstaat ist, danke schön.
Angela Merkel wurde vom Magazin Time zur Person des Jahres gekürt. Wen hätten Sie gewählt?
Der Titel lappt vom Ölgemälde schon sacht ins Reich der Explosionszeichnung, doch ein putziger Cartoon der kleinen Raute Nimmersatt wäre international unverständlich gewesen. Was die Gerüchte angeht, Merkel äuge auf die UN-Arbeitsgruppe, die nach Ban Ki Moon eine Generalsekretärin einsetzen wolle, ist das ein solider Eimer Sprit ins Lagerfeuerchen der Verschwörer. 1990 hätte man etwas gestutzt, wenn man diese Antwort der Zukunft gesehen hätte auf die Frage: Wie werden die blühenden Landschaften denn aussehen? Gäbe es auf Politiker Transfersummen wie auf Fußballer, hätte die FDJ endlich mal eine schöne Woche gehabt. Egal: Merkel hat mit rotgrünem Atomausstieg, Schröder’scher Agenda und traditionell defensiver Außenpolitik ein ehrbares Kunststück hinbekommen: Mach nichts selber und das richtig.
Sigmar Gabriel bekam auf dem SPD-Bundesparteitag nur 74,3 Prozent der Stimmen. Was war da los?
Links und für TTIP, kritisch und für Vorratsdatenspeicherung, gegen das „Pack“ und doch „die Sorgen und Ängste verstehen“: Wir sind doch schon froh, wenn die Tage nicht der „Springteufel Sigi“ im Silvesterregal ausliegt, „Vorsicht – schießt in jede Richtung“. Gabriel ist vieles zuzutrauen, auch die elende zwei vor dem Komma beim nächsten Wahlergebnis zu schreddern. Steinmeier hat behutsam und mehrfach gescheitert eine Art eigene Linie in der Außenpolitik vorgelegt, mit seinem zerschossenen Ukraine-Deal und dann wieder der Wiener Syrien-Konferenz. Martin Schulz kann fließend europäisch und, Bürgermeister von Würselen, plastischen Wahlkampf, vielleicht sollten die Sozis den aus dem Hut ziehen. Im Gegensatz zu Gabriel kann man den gefahrlos auch im Freien verwenden.
In Frankreich erstarken mit dem Front National die rechten Parteien. Sitzt die AfD bald im Bundestag?
Das bleibt ein Rätsel an der umgefragtesten Kanzlerin aller Zeiten: Sie hat wissen müssen, dass sie die bereits in Verwesung übergehende AfD mit ihrer unvorbereiteten „Arme offen“-Politik noch mal wachküsst. Selbst das NPD-Verbotsverfahren sagt interessierten Wählern nun, wo man ein „anständiges“ rechtes Kreuzchen machen kann. Ja, es wird zum politischen Erbe Merkels gehören, dass rechts von der Union wieder Platz ist für eine im Parlament vertretene Partei.
Donald Trump hat gefordert, keine Muslime mehr in die USA einreisen zu lassen. Woran erkennen die US-Beamten am Flughafen die Religion?
Trump ist ein naturbetrunkener Kirmesboxer und eine große Hilfe für jedermann, der Kritik an den USA übt, ohne „Antiamerikaner“ geziehen werden zu wollen.
Und was machen die Borussen?
Saß im zugigen, kalten Stadion restekartengeschuldet im griechischen Block der Saloniki-Fans. An diesem Abend hat Borussia viel für die Aussöhnung zweier Völker getan.
(Fragen: FAY, JUK)
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