Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Bürger beteiligen sich gedanklich an Gewaltszenarien. Und man fragt sich, ob Sachsen eigentlich noch ein sicheres Herkunftsland ist.

Profilbild von Polizisten in voller Montur

Auf der jüngsten Legida-Demo in Leipzig: Bundespolizisten in voller Montur. Foto: ap

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Die Grünen haben immer vor der unzureichenden Einwanderungspolitik gewarnt.

Was wird besser in dieser?

Die Grünen müssen sich für die unzureichende Einwanderungspolitik rechtfertigen.

Die Nachfrage an Schreckschusspistolen, Tränengas und Elektroschockern ist in letzter Zeit drastisch angestiegen. Wird Deutschland sicherer durch Bürger-Bewaffnung?

Wie war in Köln es doch vordem mit Einzelmännchen so bequem! Falls die Polizeiführung zu blöd war Silvester, ist es eine konsequente Antwort, künftig selbst zu blöd zu sein. Pfefferspray ist „gefährliche Körperverletzung“, Schreckschusswaffen erfordern den „kleinen Waffenschein“ und die beliebtesten Elektro-Taser sind nur illegal aus dem Ausland zu beziehen. Keine gute Idee, eine „täuschend echte“ Schreckschusswaffe zu ziehen, um darauf hin enttäuschend echt erschossen zu werden.

Das Gericht wird bewerten müssen, was es auf sich hat mit „politischen Überzeugungen“ eines Mannes, der sich an „politische Diskussionen“ nicht erinnert

Da die Dinger im Ernstfall unhandlich sind oder schaden, sind sie vor allem Ausdruck eines morbiden Deals: Käufer verlängern den Thrill der Untaten, holen ihn näher ran, beteiligen sich gedanklich an Gewaltszenarien. Psychomedizinisch handelt es sich also um einen Fall von Ansteckung.

Nach Beate Zschäpe hat nun auch Ralf Wohlleben im NSU-Prozess in München ausgesagt. An „politische Diskussionen“ in seiner Kameradschaft könne er sich nicht erinnern. War der NSU vermutlich doch nur ein Karnevalsverein?

Wohlleben hatte zuvor publizieren lassen, die Aussage sei „ein Akt der Notwehr“, er sei „seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben“. Das Gericht wird bewerten müssen, was es auf sich hat mit „politischen Überzeugungen“ eines Mannes, der sich an „politische Diskussionen“ nicht erinnert. Das klingt nach einer guten Erklärung für Rechtsradikalismus.

Wikipedia feierte in dieser Woche seinen 15. Geburtstag. Sie sind wichtig genug um darin aufzutauchen: „deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent“. Sind Sie zufrieden mit Ihrem Eintrag?

Hab mal versucht, ein paar Fehler darin zu korrigieren; war aber am nächsten morgen alles wieder zurück verfälscht. Habe mich dann der Schwarmdummheit ergeben. Als Volo lernte ich mit dem „Munzinger-Archiv“ zu arbeiten, einer redaktionell verfassten aktuellen Biografiensammlung. So schön und verdienstvoll die jedermensch zugängliche Wiki ist: So sehen vernichtete Arbeitsplätze im Journalismus aus.

Zwei Terroranschläge in zwei Tagen: erst Istanbul, dann Jakarta. Fragen Sie sich eigentlich auch, wann bei uns was passiert?

Nee, bei uns reicht die Gruselnacht von Köln. Was da jetzt an Fremdenfeindlichkeit, Islamhass, Asylverschärfung und geistiger Aufrüstung dran geknüpft wird, muss jeden anständigen Terroristen an seinem Job zweifeln lassen.

Der Fernsehpreis wurde vergeben – allerdings ohne Fernsehübertragung, aus Angst, dass niemand zugucken würde. Hat er Ihnen gefehlt?

Das Grimme-Institut ist durch Sponsoring und Finanzierung aus der Haushaltsgebühr so unabhängig, dass letztes Jahr gleich alle Preise an Öffentlich-Rechtliche gingen. Der „Deutsche Fernsehpreis“ hingegen ist die vereinigte Konkursmasse von Betriebsinternen Auszeichnungswesen wie dem „Goldenen Löwen von Radio Luxemburg“ oder dem vergessenen „Telestar“. Hinzu mag kommen, dass es für das Fernsehen keine sonderlich eindeutige Wissenschaft gibt, wie etwa die Filmwissenschaften für’s Kino. Deshalb retten sich alle diese Preise gern in kino-ähnliche Kategorien und erreichen allenfalls da auch Glanz.

Der Begriff „Qualitätsfernsehen“ verdankt seine Inflation dem Umstand, dass jeder das anders definiert. Zunehmende Teile der Bevölkerung behelfen sich mit Schmähungen wie „Mainstream-Medien“ und „Lügenpresse“. Ein schlechter Zeitpunkt, überhaupt kein Selbstvertrauen mehr zu haben als journalistische Branche.

In Leipzig randaliert der rechte weiße Mann, eine Reporterin wird ins Gesicht geschlagen. Wann wird Sachsen eigentlich offiziell zum Gefahrengebiet erklärt?

Es stellen sich die Fragen, ob Sachsen noch sicheres Herkunftsland ist oder wir einreisende Hools von dort hier behalten müssen. Und ob der Reihenabwurf arabischer Grundgesetze über Zuwanderern durch eine Handreichung auf Sächsisch ergänzt werden muss.

Und was machen die Borussen?

Spielen am 9. 2. im Pokal gegen Kevin Großkreutz mit seinem neuen Klub Stuttgart. Nein, bitte ihn jetzt nicht „Angela Merkel des BVB“ nennen. Es ist doch alles traurig genug.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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