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Extrem-Reise: Allein die Welt umsegelnEinmal rum

Henrik Masekowitz will alleine die Welt umsegeln. Vor ihm hat das erst ein Deutscher geschafft. Der Hamburger IT-Ingenieur will in weniger als 137 Tagen zurück sein.

Im richtigen Leben ist er IT-Ingenieur, Familienvater und ein ziemlich braver Bürogänger: Weltumsegler Henrik Masekowitz. Foto: Nils Günter/Yacht

BREMEN taz | Einen Tisch, ein Sofa und ein Fitzelchen Holz sucht man auf Henrik Masekowitz‘ „Croix du Sud“ vergebens. Es gibt nur einen einflammigen Spiritus-Campingkocher. Das karge Innere seiner modernen Rennyacht ist durchzogen von Schläuchen für das Ballastsystem. Und Taljen für die verstellbaren Klappkojen.

Es ist eine extreme Reise mit einer ziemlich radikalen Yacht, zu der Masekowitz da aufgebrochen ist. Gelingt sie, ist dem 49-Jährigen ein Ehrenplatz unter den Seefahrern Deutschlands sicher – und ein Weltrekord. Genauso gut hätte er versuchen können, den gesamten Himalaya allein zu durchwandern. Doch der Hamburger will die Welt umsegeln, allein, nonstop. In Deutschland hat das vor ihm erst einer geschafft. Masekowitz will den Trip zudem in knapp vier Monaten hinter sich bringen.

„Weltumsegelung“ klingt ja heute nicht mehr so spannend. Tausende haben es bereits getan, natürlich auch viele Deutsche. Spätestens, seit es die beiden Kanäle gibt – Panama und Suez – braucht man für ein herkömmliches, tropisches Unterfangen kaum mehr als zwei Paar Socken: In Äquatornähe weht verlässlich warmer Ostwind.

Seit etwa vierzig Jahren werden deswegen solche Fahrten immer unspektakulärer und beliebter. Vor allem RentnerInnen, Sabbatjahr- und ElternzeitnehmerInnen jagen heutzutage etwas hinterher, das für sie einen Lebenstraum darstellt. Sie segeln allein, als Paar, mit Freunden, mit Familie. Unendlich große Wasserflächen, auf denen jeder seinen eigenen Kurs einschlagen und nach seiner Facon glücklich werden kann. Freie Fahrt für freie Bürger? Von wegen! Überall sind meteorologische Barrieren. Dazwischen finden sich immer wieder ziemlich logische Durchschlüpfrouten. Warme, kalte, harte.

Bis in die Neunziger hinein gab es mehr Menschen, die auf den Mond geflogen sind, als Solo-Nonstop-Weltumsegler auf der harten, der „magischen Route“

Nur ein „echter“Weg um die Welt

Die Tropenpassage hat einen Nachteil: Sie zwingt zum Anhalten. Darum gibt es im Grunde nur einen „echten“ Weg um die Welt und den geht fast niemand. Es ist eine harte, von Eisbergen und Stürmen gesäumte antarktisnahe Fahrt durch die entlegendsten Regionen dieses Planeten. Durch den großen Südozean, der auf Segler wirkt wie ein riesiges Niemandsland, in dem alles passieren kann, Gefahr für Leib und Leben eingeschlossen. Eine Fahrt, an deren Ende Kap Horn steht wie ein Tor, das aus dem Hades herausführt. Früher starben hier viele Seeleute, kämpften Walfänger und Windjammer ums Überleben.

Dort will Henrik Masekowitz längs. Und darum ist sein Vorhaben auch so spektakulär. Doch er hat das Zeug dazu. Auch wenn der IT-Ingenieur, ein zweifacher Familienvater, im richtigen Leben eigentlich ein ziemlich braver Bürogänger ist.

Erst einem Deutschen ist diese Fahrt gelungen: Wilfried Erdmann. 271 Tage hat er vor über 30 Jahren gebraucht. Damals schrieb er: „Diese Route enthält mehr Tragödien als Erfolge.“ Erdmann, heute 75, war noch zu Pionierzeiten unterwegs, es gab damals kaum Blaupausen für ein solch verwegenes Vorhaben, weltweit gab es nicht mal ein Dutzend Fahrtensegler mit diesen Meriten. Bis in die Neunziger hinein gab es mehr Menschen, die auf den Mond geflogen sind, als Solo-Nonstop-Weltumsegler auf der harten, der „magischen Route“.

Masekowitz scheut den Vergleich zur Segelikone Erdmann. Seit dessen Tagen hat sich einiges geändert. Vor allem gibt es heute alle vier Jahre eine sehr radikale Superregatta mit teuren Einzelbauten, auf denen ein Soloathlet ohne Stop den Planeten umrunden muss, die Vendée Globe Challenge. Die Regatta mit den Riesenbudgets ist französischen Ursprungs, noch nie hat ein Deutscher teilgenommen. Vendée-Globe-Boote ähneln der von Masekowitz, theoretisch, es sind nicht mehr als ungastliche Plastikhüllen. Nur ist das Gefährt des Hamburgers wesentlich kleiner und bescheidener.

Aber noch nervt das beengte und unbequeme Innere seiner Yacht nicht so doll, noch navigiert Masekowitz im warmen Atlantik nach Süden, weicht mit Hilfe seiner Hightech-Wettersoftware Gegenwinden aus. Sortiert Windautobahnen, deren Lage sich fast wöchentlich ändern. Am ersten Dezember passierte er den Äquator, zuvor die Kapverdischen Inseln.

Deren Lage ist Landratten zwar kaum bekannt, aber sie dienen vielen Seglern quasi als Raststätten. Es sind ehemals portugiesische Versorgungsinseln für Seefahrer, die zum heutigen Brasilien unterwegs waren. Kurven und Kreiselrouten haben die Karavellen früher schon in die Ozeane gefurcht, um die kostbaren Rückenwinde zu halten. Der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama hat das eindrucksvoll demonstriert, indem er auf dem Weg in den Süden erst einmal Richtung Neue Welt gefahren ist, bevor es wieder an die Südspitze Afrikas ging.

Je extremer und leichter heutige Ozean-Performance-Rennboote konstruiert werden, desto mehr sind sie auf günstige Winde angewiesen. Auf der zwölfeinhalb Meter langen Rennflunder, mit der Masekowitz um den Globus prügeln will, die einem großen Surfbrett ähnlicher sieht als einer herkömmlichen Yacht, ist das Leben bei Gegenwind kein Vergnügen.

Skepsis gegenüber Abenteurern

Kein Vergnügen ist es normalerweise auch, solch ein Projekt vorzubereiten, denn nur selten stößt man bei Mitmenschen auf Verständnis. Wie man es dreht und wendet, ob man nun den barfüßigen oder bärbeißigen Weg um die Welt wählt, das Randgruppendasein ist einem sicher. Und ebenso Skepsis gegenüber der Spezies der „Abenteurer“, denn Ausreißer gab es viele.

Ein gewisser Bernd Lüchtenborg etwa hatte erst Sponsorengelder und Sachleistungen abgegriffen, fast in Millionenhöhe – und dann als „Alleinsegler“ ab Norderney seine Freundin dabei. 1969 gab es den Fall Donald Crowhurst, der berühmteste aller Schwindler, der schon bei Abfahrt genial-schizophren war: Den Atlantik verließ er nie, obwohl er vorgab, die Welt zu umrunden. Von seiner Abreise führte er zwei Logbücher: Eins akribisch gefälscht, das andere mit so kryptischen Zeilen vollgeschmiert, das den Findern angst und bange wurde. Es offenbarte die Qual eines brutal zerrütteten Charakters. Crowhurst schloss einen Bund mit seiner Gottheit „Wurzel aus Null“ – und sprang über Bord: Selbstmord.

Um sich von Träumern und Scharlatanen abzusetzen, sehen Projekte wie Masekowitz’ sehr professionell aus: Sponsoren, Echtzeittracker, Presseanbindung. Die Fotos wirken durch das neue schwarze Foliensegel, das der Hauptsponsor, ein Werkzeugmacher, hat springen lassen und in dem fotogen das große Logo bappt. Aber die Idee, das Boot und die Vorbereitung, das alles war lange vorher da: Masekowitz segelt ein Leben lang und ist einer der dienstältesten Athleten in der „Atlantik-extrem“-Szene. Dabei ist er eher solider Fahrtensegler und Seemann als abenteuerlustiger Abtrünniger eines Regatta-Olympiakaders.

Flautenfleck bei St. Helena

Bevor er den langen kalten Marsch durch den Südozean antritt, muss er noch einen meteorologischen „Berg“ umrunden: Das Sankt-Helena-Hoch im Südatlantik, ein riesiger Flautenfleck, in dessen Mitte die Insel St. Helena wie eine Gipfelhütte thront. Bis er sie umrundet hat, wird es warm sein. Und Masekowitz kann sich so lange noch in sein brandneues, eigens angefertigtes „Kuschelkissen“ lümmeln, mal an, mal unter Deck. Es ist eine Art Hightechstrohsack, mit Styroporkugeln gefüllt. Der passt in jede Ecke und erlaubt dem Darinlieger, stets auf dem Sprung zu sein. Tag und Nacht, alle paar Minuten.

Jenseits von St. Helena wird es kalt, dann ist der Weg ins Reich der Windjammer frei, deren Name ja mit jammern nichts zu tun hat, sondern frei aus dem Englischen übersetzt bedeutet „Der sich gegen Stürme lehnt“. Das mit der Kälte macht dem Ingenieur dann hoffentlich nichts aus. Denn immerhin hat er kurz vor dem Start in der Bretagne noch eine Heizung eingebaut, die etwas warme Luft in seinen Schlafsack pusten kann.

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