Kommentar von Rudolf Balmer zum Erfolg des Front National: Sozialisten allein zu Hause
Der Sieg des Front National (FN) in Frankreich ist vor allem eine Niederlage der Linken. Wenn nach der ersten Runde der Regionalwahlen die Rechten Spitzenresultate erzielen, dann nur, weil die Linksparteien ihre Wählerschaft nicht mehr mobilisieren können. Diese ist desillusioniert, enttäuscht oder sogar unversöhnlich wütend über die sozialistische Regierung und über Staatspräsident François Hollande. Sie bleiben lieber zu Hause, als dass sie mit ihrer Wahlbeteiligung eine Politik billigen, mit der sie nicht einverstanden sind.
Von Wahl zu Wahl haben seit 2012 Hollandes Sozialisten Niederlagen eingesteckt. Sie haben gleichzeitig ihre soziale und politische Basis verloren. Ein Teil davon ist sogar in der Hoffnung auf radikalere Änderungen zur extremen Rechten übergelaufen.
Die Sympathisanten des FN dagegen sind voller Erwartungen und Illusionen. Das Medienecho beweist ihnen, dass ein FN-Wahlzettel den Effekt einer Bombe haben kann. Die verbliebenen treuen Linkswähler dagegen müssen sich sagen, dass sie bestenfalls Schlimmeres verhüten können. Einen motivierenderen Grund zur Wahlbeteiligung oder gar eine echte Utopie haben ihnen die regierenden Pragmatiker nicht mehr zu bieten.
Es scheint fast so, als wäre es das triste Los der Parteien der Linken in einer kapitalistischen Gesellschaft: Zwar kommen sie wegen der Unzufriedenheit und der Ungleichheit gelegentlich an die Macht, aber nur, um sich sogleich selber zu verraten und die Wähler zu enttäuschen. Es ist ein Dilemma zwischen Anpassung oder Bruch mit dem System. Zwischen Bad Godesberg oder Weltrevolution haben sozialdemokratische Regierungen nie gezögert. Auch Hollande hat, wie schon sein Vorbild Mitterrand, seine radikalsten Wahlversprechen schnell vergessen und sich vor den Sachzwängen der Finanzmärkte zu Reformen durchgerungen, die nicht einmal seine konservativen Vorgänger riskiert hätten.
Die Pariser Zeitungen schreiben von einem Schock wegen der hohen FN-Resultate. Wirklich schockierend sind allerdings die schlechten Ergebnisse der Grünen. Da derzeit in Paris über Klima und Umwelt verhandelt wird, müssten sie mehr denn je von dieser Aktualität profitieren. Das Gegenteil ist der Fall. Alle reden über das Weltklima, aber für die Umweltaktivisten interessieren sich kaum noch Wähler.
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