piwik no script img

Prozess gegen deutsche Firma LahmeyerAls Dörfer einfach überflutet wurden

Begehen Unternehmen im Ausland Verletzungen gegen Menschenrechte – wie vor fünf Jahren im Sudan –, bekommen sie nur selten Probleme.

Hat der Ingenieurkonzern Lahmeyer den Staudamm am Nil zu schnell geschlossen? – Firmensitz in Bad Vilbel. Foto: dpa

Berlin taz | Seit fünf Jahren schleppen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hin. Das Verfahren vor Gericht ist immer noch nicht eröffnet. „Würde so etwas toleriert, wenn die Häuser von 20.000 Deutschen ohne Vorwarnung überschwemmt worden wären?“, fragt Ali Askouri in seinem Brief an die Staatsanwälte.

Askouri vertritt mehrere Tausend Familien des Volkes der Manasir im Sudan. Sie beschuldigen Verantwortliche des deutschen Ingenieurkonzerns Lahmeyer mit Sitz im hessischen Bad Vilbel, den Merowe-Staudamm am Nil im Jahr 2008 so schnell geschlossen zu haben, dass die Dörfer überflutet wurden und die Bewohner ihr Eigentum verloren. Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Chef des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, hat deshalb Strafanzeige erstattet.

Das war im Mai 2010. Seitdem mahlen die Mühlen der Justiz. Aktuelle Hürde: Die Staatsanwaltschaft will den ehemaligen deutschen Botschafter im Sudan als Zeugen vernehmen. Auch nach einem halben Jahr aber hat das Auswärtige Amt weder den Wohnort des Diplomaten mitgeteilt, noch eine Aussagegenehmigung nach Frankfurt geschickt.

Warum es so lange dauert? Die Pressestelle von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gibt keinen Kommentar ab. Wie es weitergeht, ist offen.

Wir bräuchten gesetzliche Vorgaben

Sarah Lincoln, Brot für die Welt

Begehen deutsche Unternehmen Menschenrechtsverletzungen im Ausland, bekommen sie hierzulande nur selten Probleme. Auf internationalen Druck muss die Bundesregierung nun allerdings aktiv werden: Die Europäische Kommission hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Aktionspläne für Wirtschaft und Menschenrechte auszuarbeiten.

Am Donnerstag veranstaltet das Entwicklungsministerium (BMZ) dazu eine Konferenz in Berlin. Im kommenden Mai soll der Aktionsplan fertig sein. Existenzsichernde Löhne für die Beschäftigten in den globalen Textilfabriken, Arbeitszeiten nach internationalem Standard, besserer Schutz vor Arbeitsunfällen, Rücksichtnahme auf die Anwohner bei Großprojekten – das werden Bestandteile des Aktionsplans sein.

Fraglich jedoch ist, wie streng die Vorschriften für die Unternehmen ausfallen werden. „Wir befürchten, dass es bei unverbindlichen Empfehlungen bleibt“, sagte Sarah Lincoln von der evangelischen Entwicklungsorganisation Brot für die Welt. „Stattdessen bräuchten wir gesetzliche Vorgaben. Erst dann fangen Unternehmen tatsächlich an, ihre Geschäftspraxis zu ändern.“ Weder das Auswärtige Amt noch das BMZ und das Wirtschaftsministerium wollten sich zum Grad der geplanten Verbindlichkeit äußern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Lahmeyer ist weder Betreiber noch Erbauer des Dammes. Das Engagement beschränkt sich auf Plannung und Projektmanagement. Ausführende Baufirma kommt aus China. Wieder mal so 'ne Story wo man denjenigen zu greifen versucht wo die Wahrscheinlichkeit etwas rauszuholen am grössten ist. Von einem Sudanesischen Bauherr oder einem chinesichen Baununternehmer gibts garantiert null-komma-nichts.

  • Ich denke mal, dass die entsprechende Regierung, Bezirksverwaltung, o.ä. nicht ganz unschuldig an dem schnellen Fluten des Dammes war. Anscheinend sind politische Kräfte im Sudan brutal gegen jegliche Gegener des Staudammes vorgegangen (wie bei so vielen Großbauten überall auf der Welt). Wäre so etwas in Europa passiert würden in erster Linie die Entscheidungsträger verklagt werden, nicht die Baufirma. Hier ist wohl auch ein Problem, dass man die Verantworklichen auf politischer Seite nicht zu fassen kriegt, bzw. ihnen offiziell nichts nachweisen kann.

     

    Auf der anderen Seite muss eine Baufirma sich für Betroffene einsetze astatt den Geldgebern die Stiefel zu lecken (in diesem Fall z.B.: Dammöffnung erst nach verifizierter Umsiedlung aller Betroffenen).

     

    Wenn Lahmeyer für schuldig befunden würde könnte das zumindest dazu führen, dass Firmen ihr Handeln stärker abwägen, auch wenn sie nicht Entscheidungsträger sind.

     

    http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=23617&Cr=sudan&Cr1=#.VmCO4b-4Lic http://www.omct.org/files/2008/12/6112/the_economic_roots_of_relativism.pdf