: Die unerwünschte Demo
Der Protest gegen die israelfeindliche Al-Quds-Demonstration wird immer breiter. Er reicht von Paul Spiegel bis zu den Bundestagsparteien. Berliner Muslime interessieren sich kaum für die Demo
VON ALKE WIERTH
Unter strengen Auflagen darf heute die jährliche Demonstration zum so genannten Al-Quds-Tag durch die Westberliner Innenstadt ziehen – flankiert von einem breiten politischen Protest. Den unterstützen Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien. Der Al-Quds-Tag wurde 1979 vom iranischen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini begründet. Chomeini erklärte den letzten Freitag des islamischen Fastenmonats Ramadan zum „Kampftag gegen Israel“. Al-Quds ist der arabische Name Jerusalems. Weltweit demonstrieren an diesem Tag proiranische Schiiten, aber auch andere islamistische Gruppierungen für die „Befreiung Jerusalems“ und gegen Israel. Vor zwei Tagen hat der neue iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad anlässlich des Al-Quds-Tags erneut dazu aufgerufen, Israel „von der Landkarte zu tilgen“.
In Berlin werden solche Töne wohl eher nicht zu hören sein: Zum zweiten Mal findet die hiesige Al-Quds-Demo als Schweigemarsch statt. Während in früheren Jahren bis zu 3.000 Teilnehmer aus der ganzen Bundesrepublik zur Berliner Al-Quds-Demonstration anreisten und Parolen wie „Tod Israel“ skandierten, war ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 800 geschrumpft.
Gewachsen ist dagegen die öffentliche Kritik: Ein „Berliner Bündnis gegen den Al-Quds-Tag“ organisiert seit zwei Jahren eine Gegenkundgebung, die heute von 12 bis 15 Uhr in der Schlüterstraße am Savignyplatz stattfindet (siehe Interview unten). Im vergangenen Jahr kamen dazu 200 Teilnehmer, dieses Mal dürften es erheblich mehr werden. Dem Bündnis gehören unter anderen die Amadeu Antonio Stiftung und der Verein Iranischer Flüchtlinge an. Unterstützt wird es von Politikern von CDU, FDP, SPD, Grünen und Linkspartei.PDS. Auch Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden, und Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland, machen sich für das Gegenbündnis stark. „Wir sind durchaus nicht in jedem Punkt einer Meinung, was den Israel-Palästina-Konflikt betrifft“, sagt Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung. Aber in einem sei man sich einig: Es dürfe keine Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel geben.
Mit offen antiisraelischen Parolen halten sich die Organisatoren der Al-Quds-Demonstration mittlerweile zurück. Bereits im vergangenen Jahr wurden die Teilnehmer in einem im Internet veröffentlichten Aufruf zu „Disziplin“ ermahnt, da „einige Journalisten nach der geringsten Verfehlung mit der Lupe suchen“ würden.
Unter den Berliner Muslimen ist das Interesse an der Demo gering: Keine der großen islamischen Organisationen beteiligt sich. „Einige schiitische Moscheen in Berlin unterstützen die Al-Quds-Demo“, meint Claudia Dantschke, die islamische Organisationen beobachtet. Der Journalist Farhad Payar, Mitarbeiter der persischsprachigen Sendung von Radio Multikulti, sagt: „Die Zahl der regimetreuen Iraner hier ist sehr begrenzt.“ Es seien eher Mitarbeiter der Botschaft, die zur Demo gingen.
Berliner Muslime aus verschiedenen arabischen Ländern nähmen an der Al-Quds-Demo teil, sagt Walid Chahrour von der Palästinensischen Gemeinde. Die Gemeinde selber habe aber weder von der Demo noch von der Gegendemo Kenntnis gehabt. Er hält die Debatte um den Al-Quds-Tag für falsch geführt: Die Gegendemo dient seiner Ansicht nach dazu, antiislamische Stimmung zu schüren.
Veranstalter der Al-Quds-Demonstrationen sei seit Jahren das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das „politisch-religiöse Propagandazentrum des Iran in Deutschland“, kritisiert Arne Behrensen vom Bündnis gegen Antisemitismus, das die Gegendemonstration mitorganisiert. Auf den IZH-Internetseiten sind allerdings keine Hinweise auf die Demonstration zu finden.
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