piwik no script img

„Hurrikan Fitzgerald“ bedroht Cheney

In den USA muss laut „New York Times“ der Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney mit einer Anklage wegen der Enttarnung einer CIA-Agentin rechnen. Gegen Spitzenberater von Präsident George W. Bush wird wohl vorerst weiter ermittelt

Mitarbeiter: Cheneys Stabschef tritt ab, wenn er angeklagt werden sollte

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Von „Hurrikan Fitzgerald“ und „Plamegate“ ist in den zahllosen Internet-Blogs in Washington genüsslich die Rede. Manche Demokraten hofften auch, gestern „Fitzmas“ feiern zu können. Einen Tag also, an dem die Anklage engster Mitarbeiter um Präsident George W. Bush durch den Sonderermittler Patrick J. Fitzgerald erfolgt – was manchen so gut gefiele wie Weihnachten. In der Affäre um die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame rechnete die New York Times damit, dass der Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney, Lewis „Scooter“ Libby, unter Anklage gestellt wird.

Dagegen werde Bushs Spitzenberater Karl Rove voraussichtlich nicht angeklagt, berichtete das Blatt. Er soll Freitagmorgen den Reportern vor seinem Haus demonstrativ gut gelaunt ein schönes Wochenende gewünscht haben, berichtete CNN. Es werde aber weitere Ermittlungen gegen ihn geben, schreibt die New York Times unter Berufung auf anonyme Quellen aus dem Umfeld des Weißen Hauses. Von Regierungsmitarbeitern war zu hören, dass Libby wohl sein Amt niederlege, wenn Anklage gegen ihn erhoben wird. Er und Rove sollen bereits am Donnerstag ihr Anwaltsteam für den Fall einer Anklage erweitert haben.

Ungewiss bleibt, ob es zu weiteren Anklagen und Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Bush-Regierung kommt. Insgesamt hatte Staatsanwalt Fitzgerald ein Dutzend früherer und aktueller Bush-Mitarbeiter vor die Untersuchungskammer zitiert. Nun wartet die Öffentlichkeit gespannt, ob der seit Dezember 2003 ermittelnde Fitzgerald die Quelle nennt, die den Namen der CIA-Agentenführerin ursprünglich an den Kolumnisten Robert Novak ausplauderte.

Der hatte ihren Namen im Juli 2003 als Erster veröffentlicht. Später, nachdem Fitzgerald Druck auf ihn, Matthew Cooper vom Magazin Time und New York Times-Starreporterin Judith Miller ausgeübt hatte, um ihre Quellen zu nennen, arrangierte sich Novak offenbar mit dem Staatsanwalt. Cooper hingegen gab Rove als Quelle an, und Miller entschied sich, lieber ins Gefängnis zu gehen.

Cooper sagte, von Rove erfahren zu haben, dass Plame die Frau des früheren US-Diplomaten Joseph Wilson sei und für den Geheimdienst arbeite. Miller, die nach 85 Tagen Gefängnis Mitte Oktober dann doch aussagte, nannte Libby als ihren Gesprächspartner, bestritt aber, von ihm den Namen der Agentin erfahren zu haben.

Am letzten Montag wurde schließlich bekannt, dass Libby wiederum Plames Identität von seinem Chef Cheney in Juni 2003 erfahren hatte. Unklar bleibt, ob den beiden dabei bekannt war, dass Plame als Geheimagentin klassifiziert war – und somit von einer strafbaren wissentlichen Enttarnung ausgegangen werden muss.

Plames Enttarnung im Sommer 2003 war von ihrem Ehemann Joseph Wilson als Racheakt der Regierung gedeutet worden. Als früherer US-Botschafter im Irak hatte Wilson kurz zuvor in Artikeln in der New York Times und der Washington Post die Kriegspläne der Bush-Regierung heftig kritisiert. Nach einer Recherchereise nach Afrika hatte er erklärt, die von Bush behauptete Beschaffung waffenfähigen Urans durch Saddam Hussein in Niger sei Unsinn. Seine Recherchereise war von der CIA-Abteilung beauftragt worden, in der auch seine Frau arbeitet.

Kann Fitzgerald einen Zusammenhang herstellen zwischen Wilsons Kritik und der Enttarnung seiner Frau, würde dies die Glaubwürdigkeit der ohnehin angeschlagenen Bush-Administration weiter unterminieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen