Bremer Patientenberatung schließt: Das Ende eines Vorbildes
Die Unabhängige Patientenberatung Bremen macht dicht. Stattdessen übernimmt eine kommerzielle Firma bald auch in Bremen diese Aufgabe.
BREMEN taz | Die Unabhängige Patientenberatung Bremen (UPB) muss nun doch zum Ende des Jahres schließen. Das Büro wird aufgelöst, den vier Mitarbeiterinnen wurde gekündigt. Dafür eröffnet zu Jahresbeginn eine neue Beratungsstelle der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Die wiederum wird ab 2016 von der profitorientierten Firma Sanvartis getragen, die Call-Center für Krankenkassen betreibt und auch für Pharma- und Medizinproduktehersteller arbeitet.
Es sei „ausgesprochen bedauerlich“, dass die UPB nun zugunsten von Sanvartis aufgeben müsse, so Heidrun Gitter, Präsidentin der Ärztekammer und Vorsitzende des Trägervereins. Dabei war Bremen bei der Patientenberatung 1998 Vorreiter – anderswo gab es solche Beratungsstellen erst 2006.
Bislang wird die bundesweite Patientenberatung von den Verbraucherzentralen und dem Sozialverband VDK betrieben, ab 2016 sollte die Bremer Beratungsstelle in das Netzwerk integriert werden. Nun kommt alles anders – weil Sanvartis den Auftrag bekommen hat. Bezahlen müssen die Patientenberatung die Krankenkassen. Der Auftrag dafür wird bislang alle fünf Jahre neu vergeben, nun gibt es für sieben Jahre neun statt bisher fünf Millionen Euro.
An dem Zuschlag für Sanvartis hatte es viel Kritik gegeben. Die UPD dürfe nicht zu einem „krankenkassennahen Call-Center verkommen“, sagte etwa die Ärztekammer, auch Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) sieht die Vergabe „nach wie vor kritisch“. Sie erwarte von Sanvartis, „dass Neutralität und Unabhängigkeit gewährleistet sind“, so Quante-Brandt. Und von der Bundesregierung, dass sie „eine strenge Qualitätskontrolle“ sicherstelle. Aus Sicht des Patientenbeauftragten des Bundes, Karl-Josef Laumann (CDU) ist die „Einflussnahmen Dritter auf die Beratung ausgeschlossen“.
E. Goetz, Patientenberatung Bremen
Weil die von vielen gelobten Mitarbeiterinnen der Bremer Beratungsstelle nicht an diese Unabhängigkeit glauben, hatten sie alle „kein Interesse, für Sanvartis zu arbeiten“, sagt die Geschäftsführerin Elisabeth Goetz, eine Ärztin für Anästhesie.
Getragen wurde die Bremer Institution vom Gesundheitsressort, dem Magistrat Bremerhaven, der Krankenhausgesellschaft, der Ärzte- sowie der Psychotherapeutenkammer – und den Krankenkassen. Die kamen für ein Viertel des Jahresetats von etwa 200.000 Euro auf. „Für die Finanzierung von Doppelstrukturen gab es keine rechtliche Grundlage“, heißt es bei der Ärztekammer. Die Entscheidung sei „nicht leichtfertig“ getroffen worden, so die Ärztekammer, die immer noch an der Unabhängigkeit der neuen Patientenberatung zweifelt. Die Linke will das Ende der UPB nochmal im Landtag debattieren – und hat eine Anfrage für die Fragestunde eingereicht.
Zwar sei „geprüft“ worden, die UPB zu erhalten, heißt es aus dem Gesundheitsressort. Das hätte allerdings nur funktioniert, wenn die Krankenkassen diese Doppelstruktur mit bezahlt hätten. Die aber sehen dafür keine Veranlassung. Eine Sprecherin des Verbandes der Ersatzkassen verweist auf das „valide Ausschreibungsverfahren“, das Sanvartis für sich entschieden habe, und die „hohen Ansprüche“ darin. Ein eigenes System in Bremen war „nicht finanzierbar“, sagt die Sprecherin des Gesundheitsressorts.
Die UPB hat bisher rund 4.000 Personen im Jahr beraten, in bis zu 6.000 Gesprächen. Zu den vier MitarbeiterInnen gehörten eine Ärztin, eine Juristin, eine Sozialpädagogin und eine Krankenschwester. Oft begleiteten sie auch längere Behandlungsprozesse.
Wer wann und wo genau in der neuen Bremer Beratungsstelle der UPD arbeiten wird ist noch unklar. Sanvartis verspricht zudem kostenfreie telefonische Beratung, werktags von acht bis 22 Uhr und samstags bis 18 Uhr, kostenfrei auch von Mobiltelefonen unter der bisherigen Hotline 0800 / 011 77 22.
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