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Netzaktivist aus SyrienDer doppelt Verschwundene

Bassel Khartabil arbeitete an Firefox und Wikipedia mit. Das syrische Regime warf ihn ins Gefängnis. Nun soll er zum Tode verurteilt worden sein.

Programmierer, Aktivist, Gefangener des Assad-Regimes: Bassel Khartabil im Sommer 2010. Foto: Christopher Adams/dpa/Creative Commons 2.0

Er war einer der führenden Köpfe unter den Netzaktivisten in Syrien. War – nicht weil das Todesurteil bereits vollstreckt wurde, sondern weil das Assad-Regime Bassel Khartabil auf anderem Weg längst zum Schweigen gebracht hat. Schon seit dem 15. März 2012 sitzt der mittlerweile 34-Jährige im Gefängnis. Nun soll er zum Tode verurteilt worden sein.

Seine Frau Noura Ghazi, die noch immer in Damaskus lebt, schrieb auf Facebook: „Ich habe soeben verstörende und schockierende Nachrichten erhalten, dass Bassel zum Tode verurteilt worden ist […] Möge Gott ihm helfen. Wir hoffen, dass es noch nicht zu spät ist.“ Sie habe von den syrischen Behörden von dem Urteil erfahren.

Dass Khartabil nicht wie Tausende andere syrische Oppositionelle in der Anonymität versinkt, verdankt er einer breiten Unterstützerszene im Netz. Seit Jahren fordert die Kampagne #FreeBassel die Freilassung Khartabils. Mitarbeiter von Mozilla und Wikimedia sowie zahlreiche Universitätsprofessoren unterstützen die Kampagne.

Bevor die syrischen Behörden Khartabil 2012 ausschalteten, hatte sich der Sohn palästinensischer Flüchtlinge auf die Entwicklung von freier Software spezialisiert. In einem Land, in dem das Regime die Bürger und Bürgerinnen erst spät das Internet nutzen ließ und es nach der vorsichtigen Einführung stark kontrollierte, setzte sich Khartabil für Transparenz und ein offenes Netz ein.

Unter anderem soll der Programmierer, der auch unter dem Namen Bassel Safadi bekannt ist, an der Entwicklung des Internetbrowsers Mozilla Firefox beteiligt gewesen sein. Auch an dem Online-Lexikon Wikipedia habe er mitgearbeitet, heißt es auf der Website der Unterstützerkampagne. Das US-amerikanische Magazin Foreign Policy listete Khartabil im Jahr seiner Verhaftung als Nummer 19 der hundert 100 einflussreichsten Denker.

65.000 Menschen verschwunden

Was er verbrochen haben soll? Gefährdung des Staates. Ein Vorwurf, mit dem Bassel Khartabil nicht allein ist. Schon lange vor Ausbruch des Kriegs 2011 verschwanden politische Oppositionelle – oftmals spurlos – in den Kerkern des Regimes. Seit 2011 sind nach Angaben des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte mehr als 65.000 Menschen verschwunden.

Die Spuren Khartabils verloren sich kürzlich schon zum zweiten Mal. Nach der Verhaftung hörten seine Angehörigen monatelang nichts von ihm. Dann hieß es, er werde in einem Gefängnis bei Damaskus festgehalten. Nun ist er erneut verschwunden. Seit Wochen weiß seine Frau nicht mehr, wo er ist, und hat nichts mehr von ihm gehört. Irgendwann dann kam die Nachricht von dem Todesurteil.

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3 Kommentare

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  • Das ist die geringe Dosis Realität, die die taz den antisyrischen Einwohnern in Deutschland zumutet: ein einzelner als Opfer mit Namen.

    Es gab einen Volksaufstand und viele der nach Deutschland Flüchtenden möchten weiterhin den Sturz der Firmengruppe Assad.

  • Man könnte sagen, dass es mit Noura Ghazis Glauben zu tun hat, wenn sie über ihren verschwundenen Mann schreibt: "Möge Gott ihm helfen". Mag sein. Dieser Glaube allerdings hat vermutlich viel mit uns allen zu tun. Wer die Hoffnung auf eine wirksame Hilfe von Seiten der Menschen aufgegeben hat, dem bleibt schließlich nur sein Gott.

     

    Das ist für mich das aller Traurigste an dieser furchtbaren Meldung: Mächtige, brutale Menschen können jemanden, der der halben Welt unter Einsatz seines Lebens geholfen hat freier zu sein als zuvor, einfach so verschwinden lassen aus dieser Welt, ohne dass die Welt auch nur ernsthaft gesucht hätte nach einem Weg ihm zu helfen.

    • @mowgli:

      gut, dass es Facebook gibt!