Prokurdische Partei HDP in der Türkei: Schüsse auf Co-Chef Demirtaş
Die Lage für die türkischen Kurden und Politiker aus ihren Reihen wird immer dramatischer. HDP-Chef Selahattin Demirtas entging knapp einem Anschlag.
Istanbul taz |Selahattin Demirtaş, Kovorsitzender und bekanntestes Gesicht der kurdisch-linken Demokratischen Partei der Völker (HDP), ist knapp einem Anschlag entgangen. Wie die Partei gestern mitteilte, wurde am Sonntagabend das Auto vonDemirtaşin seiner Heimatstadt Diyarbakirbeschossen. Der Wagen weist mehrere Schussspuren auf. Das Ganze ging nur deshalb glimpflich aus, weilDemirtaşseit den Attentaten inDiyabakırundSuruçim Juni und Juli dieses Jahres in einem gepanzerten Auto gefahren wird.
In einem Resümee zu den Wahlen am 1. November, bei denen die HDP knapp die Zehnprozenthürde genommen hatte und erneut ins Parlament einziehen konnte, beklagte die Parteispitze am Wochenende vor der Auslandspresse noch einmal ausdrücklich die Angriffe auf die Partei im Wahlkampf, die letztlich dazu geführt hatten, dass die HDP überhaupt keine öffentlichen Wahlveranstaltungen mehr durchführen konnte. Das sei eine der wichtigsten Ursachen, warum die HDP im Vergleich zu den Wahlen im Juni rund eine Million Stimmen verloren habe und statt auf 13,5 nur noch auf 10,8 Prozent gekommen sei.
Die HDP kündigte an, im Parlament erneut Initiativen zur Rückkehr zum Friedensprozess mit der kurdischen PKK-Guerilla ergreifen zu wollen. Allerdings räumte die Parteivorsitzende FigenYüksekdağein, dass die Chancen für Verhandlungen im Moment ziemlich schlecht seien. „Die Regierung will den Krieg“, sagte sie, das könne man auch daran sehen, wie Militär und Polizei derzeit in den kurdischen Städten und Gemeinden im Südosten des Landes vorgehen würden.
Tatsächlich ist die Lage für viele Kurden katastrophal. Nach Cizre und Silvan in den Vormonaten dürfen nun auch die Bewohner der kurdischen Stadt Nusaybin seit 13 Tagen ihre Häuser nicht mehr verlassen. Der Strom ist in weiten Teilen der Stadt abgeschaltet, Handys funktionieren nicht. Selbst Kranke können nicht versorgt werden, in vielen Familien fehlt es an Lebensmitteln.