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Kommentar Kohleverbrauch ChinaAuf heute und morgen kommt es an

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

China bläst weiter Kohlendioxid in die Luft. Neu ist das nicht, die Dimension ist dennoch erschreckend und bringt den Staat in Zugzwang.

Nicht ohne meine Gasmaske: Anwohnerin in Nordost-China Foto: dpa

W eder sind die Zahlen neu. Noch war es ein Geheimnis, dass für Chinas Kohleverbrauch der vergangenen Jahre ungenaue Daten vorliegen. Trotzdem schaffte es der Bericht der New York Times über Chinas falsche Angaben am Mittwoch weltweit in die Schlagzeilen. Bis zu 17 Prozent mehr, rund eine Milliarde Tonnen, soll der ohnehin schon weltgrößte Emittent von klimaschädlichem CO2 in den vergangenen Jahren zusätzlich in die Atmosphäre geblasen haben. In der Tat ist das auch für ein so großes Land wie China eine Menge.

Vier Wochen vor dem großen Klimagipfel von Paris könnte dieser Bericht die chinesische Führung in Bedrängnis bringen. Das schreiben zumindest die westlichen Medien. Dabei ändern dieses Daten gar nichts an Chinas Verhandlungsposition. Denn entscheidend wird bei den Klimaverhandlungen in Paris nicht sein, was bisher war. Was zählt, sind die Entscheidungen von heute und morgen.

Sicher, Sämtliche Daten von Chinas Energieverbrauch müssen einer erneuten Prüfung unterzogen werden. Denn nur dann lassen sich auch konkrete Ziele berechnen, auf dessen Grundlage dann verhandelt werden kann. Doch das müssen sie ohnehin – und laufend. Vor allem wegen der hohen Zahl kleinerer Minen, Koksereien und Hochöfen in China, von denen viele nach wie vor illegal betrieben werden, ist eine genaue Zahl der chinesischen Emissionnen schwer zu ermitteln. Das war in den vergangenen Jahren so. Das wird trotz technischer und administrativer Fortschritte auch noch eine Weile so bleiben.

Es ist auch kein Geheimnis, dass Chinas Abhängigkeit von der Kohle bislang groß ist und eine Abkehr davon aufwändig und kostspielig wird. Allein Pekings umliegende Provinz Hebei produzierte bis vergangenes Jahr mehr Stahl als ganz Nordamerika und Europa zusammen. Dass ein solcher Strukturwandel für das ganze Land schmerzhaft wird und auch nicht ohne soziale Verwerfungen hinzubekommen ist, kann selbst der überzeugteste Klimaschützer nicht von der Hand weisen.

Trotz dieser Schwierigkeiten hält die chinesische Führung aber an dem Ziel fest, bis zum Jahr 2030 den CO2-Ausstoß gemessen am Wirtschaftswachstum um bis zu zwei Drittel zu drosseln. Das Ziel, die globale Erwärmung bis 2050 auf weniger als zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, dürfte damit zwar nicht erreicht werden. Aber mit diesen Vorgaben geht China in Paris in die Verhandlungen. Ein Anfang ist gemacht.

Es ist auch kein Geheimnis, dass Chinas Abhängigkeit von der Kohle bislang groß ist und eine Abkehr davon aufwändig und kostspielig wird.

Anstatt also zu lamentieren, was die Chinesen klimapolitisch bislang an falschen Daten abgeliefert haben, sollte nun alles daran gesetzt werden, Pekings bisherige Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas auszuweiten. Das wirksamste Druckmittel: Die eigenen Reduktionsziele deutlich hochschrauben.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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2 Kommentare

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  • Wir haben vergessen, dass wir in Europa und Nordamerika ähnlich über 100 Jahre produziert haben und damit erst zur Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre den Grundstein gelegt haben. CO2 bleibt ja über Jahrzehnte hinweg in der Atmosphäre oder wird über Senken (Wälder und Meere) absorbiert, wo es zur Versauerung diese Medien führt. Auf meine Frage, warum wir für unsere "Jugendsünden" den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht jetzt unsere saubere Technologie im Gegenzug zu umweltfreundlichere Produktion liefern könnten erhielt ich von einem führenden Klimaforscher die einfache Antwort : ja - wenn sie die uns bezahlen! Da blieb mir ehrlich die Spucke weg. Das Verantwortungbewusstsein der "Industrie"nationen für die historischen Ursachen der globalen CO2 Verschmutzung ist äusserst gering. Wenn man das diskutiert ist es immer "Schnee von gestern" und nun müssen alle gleichzeitig die Verantwortung schultern. Es täte gut, wenn die Nationen, die den Planeten zur Müllhalde umfunktioniert haben, auch ihre höhere Verantwortung beim Aufräumen übernehmen.

  • Ziemlich wohlfeil, mit dem Finger auf Länder wie China zu zeigen, aber nach Schließung der eigenen Zechen aus Kostengründen die Kohle wenig CO2-freundlich von dort zu importieren…