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Streit um Protest gegen PolizeigewaltPolizei droht Tarantino mit Rache

US-Polizeigewerkschaften wollen Filme von Regisseur Quentin Tarantino boykottieren. Nun eskaliert der Streit. Ist alles ein Missverständnis?

Quentin Tarantino marschiert bei einer Demo unter dem Titel „Stop Police Terror and Murder“ in New York am 24. Oktober 2015. Foto: Peter Foley / epa

Berlin taz | Filmregisseur Quentin Tarantino wird vorgeworfen, letzte Woche „All cops are murderers“ bei einer New Yorker Kundgebung gegen Polizeigewalt geäußert zu haben. Tarantino wies die Vorwürfe zurück. „Das habe ich nicht gesagt. Das habe ich nicht mal angedeutet“, sagte er der Los Angeles Times. Polizeiverbände von New York und Philadelphia rufen dennoch zum Boykott auf.

Auch Medien schalten sich ein: Die New York Post veröffentlichte auf ihrer Titelseite am Dienstag ein ganzseitiges Foto des Autors mit den Worten: „Just say it, Quentin. Say you are ... sorry“. Auch im Fernsehen war die Entrüstung groß. Der rechtskonservative Moderator Bill O’Reilly behauptete auf Fox News, Tarantino habe seine Karriere ruiniert.

Doch viele der KritikerInnen haben Tarantinos Filme wohl missverstanden. Denn „Fantasien“ sind seine Filme allemal. Fantasien, in denen oft Minderheiten und Frauen durch das Ausüben von männlich privilegierter Gewalt ermächtigt werden und in denen unsere eigene Verklärung von Gewalt kritisch reflektiert wird.

Und Respekt für Kriminelle? All seine Filme spielen in einem „parallelen Film-Universum“, so eine verbreitete Fan-Theorie. Dieses Universum hat eine eigene Geschichte, die zeigt, dass Gewalt nur mehr Gewalt verursacht, und kann als kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher und politischer Gewalt verstanden werden.

Tarantinos Filme untersuchen unsere eigene Faszination durch Gewalt und die Folgen ihrer Verherrlichung. Sie projizieren nicht Gewalt auf die Gesellschaft, wie Lynch behauptet, sondern nehmen reale Brutalität aus der Gesellschaft und übertreiben sie bis zur Satire. So wird Hitler in einem Kino in einem feurigen Spektakel erschossen.

James Pasco, der Vorsitzende der Gewerkschaft „Fraternal Order of Police“, hat unterdessen Rache für die Kinopremiere von Tarantinos „The Hateful Eight“ geschworen: „Wir wollen ihn nicht darauf vorbereiten. Wir wollen, dass, was wir ihm antun, eine Überraschung ist, wie am Ende seiner Filme.“ Ob ihm die Ironie seiner Worte bewusst ist? Angeblich ist er ja – wie alle Cops – ein Mörder.

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1 Kommentar

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  • Die Amis (ich bitte um Entschuldigung für die anständigen, demokratischen und klugen Amerikaner, die es in Massen gibt) haben wirklich einen an der Klatsche. Sie wollen einen Regisseur wie Tarantino diskriminieren und ausbooten, der in seinen Filmen die stets die Perversivität der gewaltätigen amerikanischen Gesellschaft intensiv bis übersteigert geschildert und angeprangert hat.

     

    Ein Staat bzw. eine Gesellschaft, bzw. der Anteil der Leaderschaft dieser Gesellschaft, die aus Waffenfanatikern, Kriegstreibern, Nationalisten, christlichen Fundamentalisten und Rassisten besteht, will einem Regisseur am Zeug flicken, der nur die Auswüchse ihrer perversen Fantasien in den Fokus stellt?

     

    Die große Frage ob Cops/Polizisten oder Soldaten Mörder sind, ist schwer zu beantworten und oft diskutiert worden. Die Antwort ist zum großen Teil davon abhängig, welche Ziele ihr Auftraggeber, der Staat, verfolgt. Andererseits soll es noch etwas wie Zivilcourage und Gewissensentfaltung geben, die auch Polizisten oder Soldaten zeigen können und wodurch sie sich durch Befehlsverweigerung gegen staatliche Willkür wehren könnten.