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Pegida in DresdenImmer wieder montags

Am Pegida-Jahrestag protestierten zum ersten Mal mehr Gegendemonstranten als Anhänger. Eine Woche später: der ganz normale Rassismus.

Halten sonst Rassismus hoch, zum Abschluss der Versammlung in Dresden aber auch ihre Handys: Pegida-Demonstranten Foto: dpa

Dresden taz | Die Stimmung ist gut, als sich die Nopegida-Demonstration auf den Weg in die Innenstadt macht. Bis zu 1.300 Menschen sind laut Studierendeninitiative „Durchgezählt“ gekommen, irgendwo spielt einer Dudelsack, aus dem Lautsprecher tönt „Lemon Tree“. Nachdem der Protest vor dem Pegida-Jahrestag vergangene Woche praktisch zum Erliegen gekommen war, sind die Teilnehmer froh, dass so viele gekommen sind.

Organisiert hat die Demonstration dieses Mal die Gruppe Gepida (“Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter“). Martin Gahlen – einer der Mitorganisatoren, der seinen echten Namen aus Furcht vor Repressionen nicht veröffentlicht haben will – ist zufrieden: „Für die wenigen Tage, die wir mobilisiert haben, sind das richtig viele Leute.“

Pegida startet wie schon vergangene Woche auf dem Theaterplatz. Die Semperoper hat die Videoleinwand wieder angeschaltet: „Wir sind keine Kulisse für Intoleranz“ steht über den Köpfen der 10.000 bis 12.000 Teilnehmer. Die Außenbeleuchtung der Oper bleibt aber an. In seiner Rede beschimpft Pegida-Führer Lutz Bachmann die Organisatoren des Gegenprotests der vergangenen Woche als „faschistisches Bündnis“ und äußert seine Sympathie für den Wahlsieg der nationalkonservativen PiS in Polen. Die Menge ruft „Widerstand“ und „Merkel muss weg“. Einige schwenken polnische Fahnen.

Als die Gegendemonstration am Theaterplatz vorbeizieht, liefern sich beide Gruppen lautstarke Wortgefechte. Aus der Pegida-Menge fliegen rohe Eier in die Nopegida-Demonstration. „Schämt euch“, antworten diese und fangen an, auf und ab zu springen: „Wer nicht hüpft, der ist Pegida.“

Dann läuft Pegida. An mehreren Stellen formiert sich lauter Gegenprotest. Ein junger Mann bittet am Rande der Demo um Geld. Er komme aus der Slowakei, sei gerade hier angekommen. „Frag doch bei der Antifa!“, grölt ein Glatzkopf in schwarzen Klamotten aus der Menge.

Kritik an der Polizei

450 Polizisten sind laut Polizeibericht im Einsatz, sie haben die Lage unter Kontrolle. „Ganz im Gegensatz zum letztem Mal“, sagt Johannes Filous, der seit einigen Monaten mit dem Account „Straßengezwitscher“ über rassistische Demonstrationen in Sachsen twittert. „Besonders die Pressearbeit der Polizei ist ein Hohn“, sagt er. „Es gab letzte Woche mehrere Angriffe auf Nopegida-Demonstranten, das können wir mit Videoaufnahmen belegen. Die Polizei schweigt aber bis heute von der rechten Gewalt.“ Die Polizei ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, wies die Kritik aber am vergangenen Freitag zurück: „Alle Versammlungsteilnehmer konnten ihre Grundrechte wahrnehmen. Ziel erreicht“, sagte Polizeisprecher Geithner.

Auch das Bündnis “Herz statt Hetze“, das die antirassistischen Proteste am Pegida-Jahrestag organisiert hatte, hat die Gewalt von Pegida-Teilnehmern und das Vorgehen der Polizei scharf kritisiert.

Wie geht es weiter in Dresden?

Gahlen sieht aber auch das Positive an den Demonstrationen der letzten Woche. „Da waren wir zum ersten Mal mehr als Pegida. Das hat etwas verändert. Jetzt müssen wir am Ball bleiben“, sagt er. Aber er weiß auch, dass das vergleichsweise kleine Team den Protest auf Dauer nicht stemmen kann. „Jetzt sind auch mal die großen Organisationen an der Reihe, die Parteien und Gewerkschaften.“

Das Bündnis „Herz statt Hetze“ hat nach den Jahrestags-Protesten ebenfalls angekündigt, aktiv zu bleiben. Man sei aber noch in der Planungsphase. Möglich sei eine größere Aktion am symbolträchtigen 9. November.

Klar ist, Pegida wird die nächsten Wochen weiter auf der Straße sein. Das weiß auch Martin Gahlen. „Nach der Demo ist vor der Demo“, ruft er in das Mikrofon, als er die Demonstration nach knapp drei Stunden beendet. „Kommt sicher nach Hause“.

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8 Kommentare

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  • Es weihnachtet in Dresden? Wann geht ihnen ein Licht auf?

    AfD Herbstoffensive 2915 sei die Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen.

    Das Elaborat AfD Programm habe ich gestern sorgfältig gelesen. Keine Angst, bei soviel Enfalt: Die wollen bloß spielen. Ihnen scheint unbekannt, dass " Die Bundes-Republik Deutschland" kein singuläres "Land" ist, sondern aus 16 Ländern besteht, Es müsste meines Erachtens heissen: Europa braucht mutige Bürger!

    Sie wollen auch über eine Modifizierung des Asylrechts nachdenken? Dabei handelt es sich aber um die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und speziell die UN Menschenrechts Charta Artikel 14

    1) "Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen."

     

    Eine Forderung lautet "Deutschland" verabschiedet sich vom Euro und kehrt zur D-Mark zurück (Eine Märkel wird das wohl nicht?) AfD steht für GREXIT oder DEXIT. Da kann ich auf das Vorbild Sachsen mit dem SÄXIT hinweisen: https://www.youtube.com/watch?v=Wbl-ioQUw1E

     

    Als das beste finde ich die Absicht auf der letzten Seite: "Wir müssen die Arbeit der deutschen demokratischen Opposition übernehmen." Gott sei Dank, regieren wollen sie wenigstens nicht, aber auf Staatskosten in einem warmen Land-Tag sitzen?

  • Diese ganze Gegendemo-Bewegung ist totaler Schwachsinn. Es ist genauso, wie @Mowgli es beschreibt, ein Aufrüsten und Überbieten, was in dem Fall zu immer stärkerer wechselseitiger Radikalisierung führt. Ganz bestimmt nicht das, was wir gerade brauchen.

    Wenn ich was sagen und gesehen / gehört werden will, mache ich das doch nicht, in dem ich mich an die Performance der Anderen hänge und versuche sie zu Überschreien. Da suche ich mir am Besten einen anderen Tag und bringe mein Anliegen (vorzugsweise) angemessener vor. So ist der ganze Gegendemokram das Selbe wie Pegida, nur auf der anderen Seite.

  • Pegida spricht von der Systempresse eines totalitären Systems, von Volksverrätern,

    dabei zeigt Pegida sich selbst absolut intolernt gegen Andersdenkende und Andersaussehende.

     

    Es mögen ja zehntausend sein, die montags marschieren, aber das Gedankengut ist nachweislich Nazidenken.

     

    Das zeigt sich in der Ablehnung der Republik, - bei den Nazis war es die Weimarer Republik,

     

    bei Pegida ist es bei einigen bereits die Berliner Republik.

     

    Es ist offenes Nazidenken, das von diesen zehntausend in Dresden gezeigt wird.

     

    Die Entnazifizierung in der DDR war damit nicht erfolgreich, nicht so erfolgreich wie das,

     

    was die USA in ihrem Sektor zur Entnazifizierung taten.

     

    Seit einem Jahr sind es einige Tausend die in Dresden auf die Strasse gehen,

     

    vielleicht ohne Nazisymbole, aber mit einer Geisteshaltung, die sich an daran anlehnt.

     

    Wie schnell können andere Unschuldige dabei unter die Räder kommen.

  • Die Idee, man könne seinen Gegner tot rüsten, scheint sich dermaßen festgesetzt zu haben in den Köpfen vor rund 30 Jahren, dass nun sogar die Autonomen vom längst verblichenen US-Schauspieler Ronald Reagen das Siegen lernen wollen. Wenn sie dafür wie Reagen "ticken" müssen, ist ihnen das egal. Hauptsache Sieg, zu welchem Preis auch immer.

     

    Ich wünschte wirklich, es gäbe nicht nur ein Bündnis "Herz statt Hetze", sondern auch eins, das von den Leuten Hirn verlangt neben dem Herzen. "Am Ball [zu] bleiben", wie Ba Gahlen das verlangt, wird jedenfalls nicht so ganz einfach werden. Pegida-Leute, schließlich, brauchen kaum was andres tun, als ihren Hass zu kultivieren. Die können jede Woche massenhaft das Pflaster strapazieren. Sie brauchen schließlich niemandem zu helfen. Wer nebenbei noch richtig leben will, der hat gar nicht die Zeit, des Schwachsinn regelmäßig mitzumachen. Es sei denn, dass Pegida alles ist, was bleibt von einem Menschenleben.

     

    Nun - wer die Pegida wirklich richtig hasst, der kriegt das sicherlich gebacken.

    • @mowgli:

      So ganz schlau werde ich aus Ihrem Kommentar nicht. Was meinen Sie da mit Reagan? Ein teilweise ziemlich verschwurbelter Kommentar, den Sie da abgegeben haben.

       

      Was sicherlich stimmt ist, dass man wohl sonst nichts im Leben haben kann, bzw. nicht viel, wenn man es schafft tatsächlich allwöchentlich einen Abend auf der Straße zu verbringen. Eine Zeit lang habe ich es auch auf mich genommen hier in Chemnitz zu den wöchentlichen Gegenveranstaltungen zu gehen, aber als Berufstätiger gilt es nach Feierabend halt auch den Haushalt zu schmeißen. Wenn man dann noch das ein oder andere Hobby hat und andere Interessen, dann geht das halt auf Dauer nicht, jede Woche einen Abend abzuschreiben. Wobei, es geht wohl, wenn man eine Sache wirklich fanatisch verfolgt. Und Fanatismus ist fast immer ziemlicher Mist, denn Fanatismus vernebelt die Sicht bzw. schränkt diese extremst ein und grenzt fast automatisch alles andere aus.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @anteater:

        "Was meinen Sie da mit Reagan?"

         

        Den Gegner (damals die Sowjetunion) durch einen Rüstungswettlauf in die Knie zwingen.

      • @anteater:

        Quatsch. Ich bin 2 Jahre lang jeden Montag 160 km nach Stuttgart gefahren, um gegen S21 zu demonstrieren. Oft genug auch noch am Samstag. Job und Haushalt litten darunter nicht. Und die Hobbies ein bißchen einzuschränken, nun, das hat mit Fanatismus noch lange nichts zu tun.

  • toll, daß polnische fahnen in sachsen plötzlich wieder populär werden. so wie in der ddr zu solidarnosc-zeiten. allerdings...