Prominente und ihre Lektüre: Für welche Lektüre schämen Sie sich?
Welches Buch haben Sie zuletzt wütend in die Ecke geschmissen? Wir haben Martin Walser, Julia Klöckner und Karl Lauterbach gefragt.
Martin Walser, 88, ist Schriftsteller. Derzeit schreibt er an den letzten Seiten seines neuen Romans „Ein sterbender Mann“.
Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch und wie lange liegt es dort schon?
Seit acht Tagen „Auferstehung“ von Karl Heinz Ott.
Welches Buch haben Sie zuletzt wütend in die Ecke geschmissen?
Noch nie habe ich ein Buch so behandelt, weil ich, wenn ich merke, dass ich dieses Buch nicht lesen kann, erlebe, dass das mehr an mir als an dem Buch liegt.
Was lesen Sie eigentlich wirklich so den ganzen Tag?
Den ganzen Tag lese ich nicht, weil ich schreiben muss. Lesen findet am Abend statt. Zusammengefasst: Circa zehn Jahre habe ich abends Kirkegaard gelesen, zehn Jahre Plato, Dostojewski und Nietzsche lese ich immer wieder.
Für welche Lektüre schämen Sie sich?
Für keine.
Welcher Schund hat Sie am meisten nach vorn gebracht?
Falls mich Bücher „nach vorne gebracht haben“, kann ich sie nachher nicht „Schund“ nennen.
***
Julia Klöckner, 42, ist stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU und CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz.
Welches Buch haben Sie zuletzt wütend in die Ecke geschmissen?
Keines. Aggressionen lasse ich nicht an Büchern aus. Zumal ich es aus der Ecke ja wieder aufheben müsste, also verzichte ich aufs Werfen. Bücher machen mich zudem auch nicht aggressiv.
Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch und wie lange liegt es dort schon?
Mehrere, mein Nachttisch kann einiges aushalten. Joachim Ringelnatz: „Ich bin so knallvergnügt erwacht. Die besten Gedichte.“ Seit einige Wochen liegt es da, immer wieder blättere ich drin, lese hier und da ein Gedicht. Armin Strohmeyer: „Einflussreiche Frauen.“ Das Buch habe ich bis auf die letzten Seiten durch. Anna Gavalda: „Nur wer fällt lernt fliegen.“ Angefangen zu lesen und dann wieder vorerst zur Seite gelegt, um zu Joachim Meyerhoff; „Alle Toten fliegen hoch“ zu greifen.
Was lesen Sie eigentlich wirklich so den ganzen Tag?
Zeitungen, Emails, SMS, Akten, Anträge, Gesetzesvorlagen, Bürgerpost, Einkaufszettel, Verkehrsschilder, Post-its …
Für welche Lektüre schämen Sie sich?
Klatschblätter beim Frisör, aber sie gehören da dazu.
Welcher Schund hat Sie am meisten nach vorn gebracht?
Bridget Jones: „Schokolade zum Frühstück.“ Nichts geht über gute Freunde!
***
Karl Lauterbach, 52, ist SPD-Gesundheitspolitiker und Mitglied des Bundestages.
Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch und wie lange liegt es dort schon?
Oliver Sacks: „On The Move“. Ich lese es vor dem Einschlafen und brauche eine Woche.
Welches Buch haben Sie zuletzt wütend in die Ecke geschmissen?
Die selbstgerechte Biographie eines früheren Kollegen in der Politik auf dessen Namen ich grad nicht komme.
Was lesen Sie eigentlich wirklich so den ganzen Tag?
Sehr, sehr viel. Ich lese sehr schnell und suchthaft. Schon vor dem Frühstück. Wissenschaftliche Studien in der Medizin, nachdem ich die neuen Artikel gescannt habe. SZ, Taz, Pressespiegel, Berliner Morgenpost, Kölner Stadtanzeiger, Ärztezeitung. In Pausen Netzstoff, besonders Spiegel Online. Abends Bücher beim Wein, wenn es geht.
Für welche Lektüre schämen Sie sich?
Nichts. Branchenblätter, wo ich früher die Polemik über die eigene Arbeit las, ignoriere ich jetzt völlig. An diesen Sielen sehe ich vorbei.
Welcher Schund hat Sie am meisten nach vorn gebracht?
Als junger Mann nach einer persönlichen Schlappe las ich Dale Carnegie : „How to stop worrying and start living“. Es half nur kurz weil mir dann klar wurde, dass es nur Schund ist. Ich warf es weg.
In der Geschichte „Jeder Satz ein Schmerz“ beschäftigt sich unser Autor Felix Dachsel mit seiner zunehmenden Abneigung Büchern gegenüber – zu lesen in der taz.am wochenende vom 10./11. Oktober 2015.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“