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Silvia Neids WM-AnalyseDie Rumpelfußballerinnen

Bundestrainerin Neid stellt ihren Spielerinnen kein gutes Zeugnis aus. Auch in der Bundesliga klagt man über die mangelnde Qualität.

Silvia Neid und Steffi Jones beim EM-Qualifikationspiel gegen Ungarn im September Foto: dpa

Frankfurt/M. taz | Kurzfristig gesehen muss dem deutschen Frauenfußball nicht bange sein. Die anstehenden EM-Qualifikationsspiele in dieser Woche gegen Russland (Donnerstag, 16 Uhr in Wiesbaden/ZDF) und Türkei (Sonntag, 14.15 Uhr in Sandhausen/ARD) dürften das Team von Bundestrainerin Silvia Neid vor nicht zu große Herausforderungen stellen. Die Gegnerinnen gehören eher zur unterklassigen Kategorie. Blickt man jedoch etwas weiter, sieht die Lage völlig anders aus.

Denn mittlerweile ist klar, dass der deutsche Frauenfußball seit dem kaum befriedigenden vierten Platz bei der WM in Kanada in eine tiefe Sinnkrise geschlittert ist. Meister FC Bayern hat es in der Women’s Champions League fertig gebracht, gegen Twente Enschede gleich am Anfang auszuscheiden.

In der Frauen-Bundesliga lassen die Favoriten mit den meisten Nationalspielerinnen Dominanz vermissen: Pokalsieger VfL Wolfsburg kassierte am Sonntag ein peinliches 0:1 gegen den SC Sand, der Champions-League-Sieger 1. FFC Frankfurt quälte sich zu einem unansehnlichen 1:1 bei Aufsteiger Werder Bremen. Turbine Potsdam ist derzeit sogar nur Tabellenvorletzter. „Die Top-Teams tun sich generell schwer bei defensiv eingestellten Mannschaften“, hat Frankfurts Manager Siegfried Dietrich festgestellt. Es rumpelt an allen Ecken und Enden.

Nach dem jüngsten 1:0-Gewürge beim EM-Qualifikationsspiel in Kroatien sagte Bundestrainerin Neid: „Es kommt noch mehr auf individuelle Stärke an. Da haben wir Nachholbedarf. Unsere Spielerinnen brauchen eine bessere Technik, auch mehr Spielintelligenz.“ Ihr schärfster WM-Kritiker, Frankfurts Trainer Colin Bell, schlägt auf Anfrage in dieselbe Kerbe: „Wir brauchen bessere Lösungen in der Offensive.“ Zudem macht Bell „Wahrnehmung und Handlungsschnelligkeit in Stresssituationen“ als Betätigungsfeld aus, denn: „Fast alle Gegner sind taktisch gut geschult.“

Bessere Voraussetzungen schaffen

Der Engländer regt sogar an, hauptamtliche Jugendtrainer und -koordinatoren in der Frauen-Bundesliga verpflichtend zu machen, um bessere Voraussetzungen zu schaffen. Alle müssten sich fragen, meint zudem Nationalmannschaftsmanagerin Doris Fitschen, „was wir bei der Ausbildung der Spielerinnen verbessern können.“ Das Nonplusultra sei in dieser Hinsicht Frankreich.

Die vor Saisonbeginn aus Potsdam zu Olympique Lyon gewechselte Pauline Bremer, die binnen weniger Woche erkennbare Fortschritte gemacht hat, stellt fest: „Das technische Niveau ist dort viel höher.“ Dummerweise hat die 19-Jährige wegen eines Muskelfaserrisses ihre Anreise zur DFB-Auswahl absagen müssen. Deren Trainerstab hat derweil die WM-Analyse abgeschlossen; darin steht unter der Rubrik „Teamanalyse Deutschland“: „Beim Herausspielen von Torchancen fehlte es teils an Kombinationssicherheit und Präzision im Passspiel. … Der Ball wurde nach Ballgewinn teils zu schnell wieder verloren.“

Neid hält fest, die Präzision im Angriffsdrittel müsse verbessert werden: „Eine Weiterentwicklung ist erforderlich, um auch künftig bei WM oder EM um Titel mitspielen zu können“. Von dem Fehlen eines taktischen Plans B oder den unglücklichen Personalentscheidungen im Halbfinale gegen die USA ist in dem Werk indes nichts zu lesen. Angeblich sind Termingründe schuld, dass alle Beteiligten nun endgültig erst am 1. Dezember bei einer Trainertagung zusammenkommen. Fünf Monate nach der WM. Immerhin: Seitdem gibt es noch mehr Mängel zu besprechen.

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