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Thema Flucht hat Rot-Grün geholfen

WIEN Im neuen Stadtrat hat die FPÖ eine Sperrminorität. Damit kann sie Gesetze stoppen

Das Wahlrecht für Ausländer mit Dauerwohnsitzwird es so schnell nicht geben

WIEN taz | Wie ein Verlust zu einem Sieg und ein Zugewinn zu einer Niederlage werden kann, hat die Landtagswahl in Wien am Sonntag gezeigt. SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl behält mit 39,5 Prozent seinen Posten – trotz deutlicher Verluste von mehr als 6 Prozentpunkten, und FPÖ-Herausforderer Heinz Christian Strache scheiterte trotz starker Zugewinne auf 31 Prozent an seinem Vorhaben, die rot-grüne Stadtregierung zu stürzen. Damit bleibt er nach seinem dritten Anlauf der ewige Zweite.

Beide Parteien hatten im Wahlkampf auf diese Zuspitzung gesetzt, um zusätzliche Wähler zu mobilisieren. Dass es funktioniert hat, zeigt die hohe Wahlbeteiligung von über 75 Prozent (2010: 67 Prozent). Das bekamen die kleineren Parteien zu spüren: die Grünen bauten von 12,6 auf 11,6 Prozent ab. 16.000 „Leihstimmen“ wanderten von Grün zu Rot.

Das kann man auch an den Ergebnissen in den Bezirken ablesen, wo Grün durchgehend stärker und die SPÖ fast ausnahmslos schlechter abschnitt als auf Gemeindeebene, also dem Stadtrat. In 2 der 23 Bezirke sind die Grünen stärkste Kraft. Ein Problem hat aber Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die im Wahlkampf im Fall von Verlusten leichtfertig ihren Rücktritt angekündigt hatte. Dass sie das heute anders sieht, versucht sie wortreich zu begründen.

Ob Rot-Grün mit komfortabler Mehrheit fortgesetzt wird oder er sich auf das Abenteuer einer mit einem einzigen Mandat abgesicherten Koalition mit der ÖVP einlässt, ließ Bürgermeister Häupl zunächst offen. Dass er Wirtschaftskompetenz für wichtiger als neue Radwege hält, ist zumindest eine inhaltliche Ansage.

Die FPÖ hat zwar mit 31 Prozent einen Achtungserfolg und ihr historisch bestes Ergebnis erzielt, bleibt aber in der Opposition. Laut Landesverfassung steht ihr zwar mit mehr als einem Drittel der Mandate ein Vizebürgermeisterposten zu, doch dessen Kompetenzbereich ist rein formal. Diesen Posten wird Straches „rechte Hand“, der Burschenschafter John Gudenus, einnehmen. Die FPÖ wird in zwei Flächenbezirken regieren und verfügt jetzt über eine Sperrminorität, mit der sie jede Änderung der Landesverfassung torpedieren kann. Das von Rot-Grün angestrebte Wahlrecht für Ausländer mit Dauerwohnsitz in der Stadt ist damit auf absehbare Zeit vom Tisch.

In der Bedeutungslosigkeit verschwindet die Wiener ÖVP, die ein Drittel ihrer Wähler verlor und mit 9,2 Prozent auf den vierten Platz zurückfiel. Der Bundesparteichef und österreichische Vizekanzler Reinhold Mitterlehner reagierte mit der sofortigen Ablösung von Landesparteiobmann Manfred Juraczka durch den bisherigen ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel.

Das Flüchtlingsthema, das den Wahlkampf in seiner heißen Phase dominierte, dürfte beiden Großparteien geholfen haben. „Bürgermeister Häupl hat in den beiden entscheidenden Fragen, um die es am Wahltag ging, Flagge gezeigt: für die Flüchtlinge, gegen Strache. Damit hat er das Duell für sich entschieden“, ist Michael Genner von der Organisation Asyl-in-Not überzeugt. Ralf Leonhard

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