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Die WahrheitWir wollen das rote Nazi-Dreieck

Kolumne
von Anke Richter

Neues aus Neuseeland: Noch immer soll das Land eine neue Flagge bekommen. Und dabei wird kaum eine Peinlichkeit ausgelassen.

I n Europa bersten die Grenzen und verrecken Flüchtlinge, aber Sie wissen ja, was uns Kiwis im Land von Milch und Hobbits seit Wochen bewegt: Wie unsere neue Flagge aussehen soll. Das Zwischenergebnis kann ich Ihnen nicht vorenthalten, denn es spitzt sich zu. Buchstäblich!

Sie erinnern sich: Über 10.000 krause Entwürfe aus Volkes Bastelstube wurden eingereicht, 40 Design-Vorschläge waren dank einer komplett Grafiker-freien Kommission in der engeren Auswahl und kein Kiwi-Vogel war dabei. Daraus haben sich die vom Premierminister persönlich berufenen Spezialisten vier Entwürfe herausgepickt, von denen einer trostloser ist als der andere.

Drei der vier Motive zeigen einen Farnzweig – gemeinhin als Emblem der Rugby-Nationalmannschaft bekannt. Das vierte ist ein noch nicht entrollter Farnzweig als schwarz-weiße Spirale. Im Flaggen-Komitee sitzt die TV-Produzentin Julie Christie – ganz zufällig ist sie auch im Aufsichtsrat einer Lobbygruppe, die mit dem Farnzweig als Markenzeichen wirbt. Kleiner Schönheitsfehler am Rande.

26 Millionen Dollar verschlingt dieser pseudodemokratische Vorgang. Es schmerzt, dass es weder der legendäre grüne Koru-Kringel von Friedensreich Hundertwasser geschafft hat, noch die schwarz-weiß-rote Flagge der Maori, die bereits Eingeborenengeschichte geschrieben hat. Im Volk regte sich Widerstand. Denn es gibt ein Alternativ-Symbol, das von jenen gefordert wird, die weder den alten Union Jack schätzen noch die braven Farn-Favoriten. Es ist die „Red Peak Flag“. Fast schon ein Protest-Logo.

Ein rotes Dreieck mit weißem Rand symbolisiert die Berge der Südalpen mit Lava im Innern. Eine schwarze Ecke für die Nacht, eine blaue für den Morgen – denn Neuseeland steht dank der Zeitverschiebung früher auf als andere Länder. Die Maori-Farben sind dabei. Alles sehr hübsch und plakativ, auch auf weite Entfernung erkennbar, außerdem für jedes Kind leicht nachzumalen – so der Erfinder Aaron Dustin. Der startete eine Petition für „Red Peak“ und drückte sie mit großem Tamtam durch die sozialen Medien. Facebook-Profilfotos wurden geändert, T-Shirts gedruckt, alles Spitze.

Doch dann passierte ein weiterer Schönheitsfehler. Nicht nur ist die Flagge mit dem Firmenlogo eines amerikanischen Ingenieurbüros namens „Peak“ identisch. Nein, sie weckt noch ganz andere Assoziationen. Ein Abgeordneter der Partei „NZ First“ hielt im Parlament vier aneinandergefügte „Red Peak“- Flaggen hoch, und siehe da: Die weißen Spitzen ergaben zusammengefügt ein Hakenkreuz. Schock! Alleine ähneln sie dem Dekor auf den Wachhäuschen der Nazis. Horror!

Dennoch kamen 25.000 Stimmen für die Spitzen-Flagge zusammen – und damit gab es genügend Druck auf John Key, die „Red Peak“ als fünfte Option mit auf die Flaggen-Liste zu nehmen. Im November wird nun erstmals abgestimmt. Doch mittlerweile haben 70 Prozent aller Kiwis das ganze Bohei so satt, dass sie lieber bei der alten Fahne bleiben wollen.

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