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Kommentar Fraktionsspitze LinksparteiBewegungslos in die Zukunft

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch führen die Linksfraktion im Bundestag. Nur, wohin? Neue Impulse sind kaum zu erwarten.

Flügelübergreifend: Sahra Wagenknecht mit Kompagnon, hier im Januar bei der Verleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“. Foto: dpa

D ie Ära Gregor Gysis ist vorbei, von nun an führen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Bundestagsfraktion der Linkspartei an. Die sogenannten Reformer können sich ebenso wie der linke Flügel über die wohl austarierte Doppelspitze freuen. Mal schauen, wie lange der – rein personalpolitisch motivierte – Burgfrieden hält.

Allerdings ist das nicht die eigentlich spannende Frage. Das gilt auch für die geradezu unvermeidlichen Spekulationen darüber, was die Wahl für rot-rot-grüne Koalitionsaussichten zu bedeuten hat. Um die ist es – zumindest mit Blick auf die Wahlen 2017 – dank des desolaten Zustands der SPD ohnehin schlecht bestellt.

Interessant ist etwas anderes: Schafft es die Linkspartei, mehr zu werden als eine kleine Oppositionspartei oder ein Mehrheitsbeschaffer der Sozialdemokratie? „Die Hoffnung kommt“, lautete die Parole, mit der Syriza die Parlamentswahl in Griechenland im Januar gewann. Was kommt mit Bartsch und Wagenknecht?

Auch wenn das innerhalb der Linkspartei sicher anders gesehen wird, so ist die Entscheidung für das so ungleich erscheinende Duo vor allem Ausdruck eines intellektuellen Stillstands und linker Tristesse. So zeichnen sich die Papiere, die die beiden in Vorbereitung auf ihre angestrebte neue Aufgabe zusammen verfasst haben, sowohl durch eine parlamentarische Fixierung als auch durch eine ökonomistische Verkürzung gesellschaftlicher Realität aus. Bemerkenswert etwa, wie traditionslinks der ganze Komplex der Grund- und Freiheitsrechte ausgespart wird.

Das Duo eint ein geradezu kulturkonservatives Politik- und Gesellschaftsbild

Die Popularität von Alexis Tsipras in Griechenland oder dem Podemos-Mann Pablo Iglesias in Spanien resultiert nicht nur aus den großen Krisen in diesen Ländern, sondern vor allem daraus, dass sie den Traum einer anderen Gesellschaft verkörpern. Als Teil einer gesellschaftlichen Aufbruchbewegung stehen sie für den Bruch mit dem etablierten Politikbetrieb – und zwar in Inhalt und Form.

Wagenknecht und Bartsch verkörpern aber durch und durch eine konventionelle, geradezu kulturkonservative Vorstellung von Politik und Gesellschaft. Das mag ihrer Sozialisation in der spießig-autoritären DDR geschuldet sein. Für undogmatische „Gedönslinke“ und westdeutsche BewegungsaktivistInnen ist dieses Modell jedoch unattraktiv. Mit Wagenknecht und Bartsch an der Fraktionsspitze wird die Linkspartei eine kleine Partei bleiben.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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8 Kommentare

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  • Solange die Linke keine klare Vorstellung davon vermitteln kann warum Sozialismus besser als Kapitalismus ist spielt es keine Rolle wie sie sich in der Tagespolitik verhält.

     

    Erst wenn sie eine klar ersichtliche Alternative (sowohl für das untere Drittel als auch für den risikobreiten Teil des Rests) bieten kann, wird die Frage ob sie Mehrheitsbeschaffer oder Blockierer spielen will wirklich wichtig.

    Als taktische Möglichkeiten diese Alternative zu befördern.

  • Umgekehrt wird ein Schuh draus: In einem Schland, wo ein Gysi ignoriert wurde, würde auch ein Tsipras oder ein Igelsias ignoriert. Schon vergessen, wie man fast unsisono hierzuschlande auf Syriza eingeprügelt hat, nach der Wahl? Und die TAZ knüppelt ja auf die deutsche Linke schon ein und fordert schlandkonforme Verwässerung, bevor die überhaupt in Sichtnähe der Regierungsbank kommt.

     

    Im Übrigen wäre eine Linke, die keine linke Politik macht, nur ein Placebo und damit keine Stimme wert. Sollten Bartsch und sein Panscherflügel künftig größeren Einfluß auf die politische Richtung der Linken haben, wird diese halt so irrelevant wie es zuvor schon Sozen und Grüne geworden sind.

  • Solange die hedonistische Linke keinerlei politische Ambitionen hat und die "Linke" deutschlandweit nicht über 15% kommt, finde ich die zwei sogenannten Kulturkonservativen hier schon in Ordnung. Echte Linke wählen die Partei doch höchstens mangels Alternativen, nicht wegen des hochgegriffenen Namens. Jedenfalls war auch schon vor Gysis Abgang klar, daß diese Linke zwar eine gute Rolle erfüllt, aber nicht die der südeuropäischen linken Parteien. In Deutschland gibts für sowas die APO.

    • @TV:

      Die Linke muß sich jetzt dringend von den Verwässerern, Abweichlern, Karrieristen und Opportunisten trennen - auch auf die Gefahr hin, zunächst an den 5% zu scheitern. Sie werden sonst den Weg der Grünen gehen - in die inhaltliche Bedeutungslosigkeit.

    • @TV:

      Absolut richtig

  • Je nach Standpunkt und gesellschaftlicher Position kann ich die Tristesse und vor allem die Perspektivlosigkeit auch bei den Grünen verorten, von der SPD ganz zu schweigen…

  • "Was kommt nit Bartsch und Wagenknecht?"

     

    "Wagenknartsch" :-D