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Norddeutsche Delegation im IranEinen Fuß in der Tür in Teheran

Niedersachsens Wirtschaftsminister bereist gemeinsam mit Industriellen den Iran. Dort wittern sie Geschäfte, unter anderem mit Rüstungsgütern.

Süße Versuchung: Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD, Mitte) snackt sich durch den Iran. Hier mit einer Dattel. Foto: Keyvan Taheri (dpa)

Bremen taz | Bei strahlendem Sonnenschein, 30 Grad Hitze und äußerlich unbeeindruckt von der Kritik an seiner Reise ist Olaf Lies (SPD) am Freitag in Teheran gelandet. Niedersachsens Wirtschaftsminister bildet die Spitze einer fast 100-köpfigen Delegation. Bis auf die Grünen sind alle Landtagsfraktionen vertreten. Ein paar Journalisten haben sich auch angemeldet.

Die Mehrheit der Reisegruppe aber bilden Manager, Inhaber und Geschäftsführer norddeutscher Unternehmen: „Für niedersächsische Firmen ist der Iran ein sehr interessantes Land“, erläuterte Lies vor der Abreise. „Das ist eine Chance, einen Fuß in der Tür zu haben in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern“, präzisierte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsens, Volker Müller, die Ziele des Trips.

Geschäfte mit dem Iran waren lange tabu. Die Islamische Republik unterstützt nach eigenen Angaben antiisraelische Terrorgruppen wie Hamas und Hisbollah logistisch, personell und finanziell. Die Vernichtung des „zionistischen Regimes“ ist Staatsziel. Niedersachsens Landtags-Grünen aber scheint die Sorge um die Stimmung beim Koalitionspartner wichtiger als lästiges Menschenrechtsgedöns: Man sehe „bei einer Nicht-Teilnahme an einer Ministerreise grundsätzlich von einer Kommentierung ab“, fasst die Fraktion ihren Schiss in Worte.

Wenigstens traut sich Hannovers grüner Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler auf das Missverhältnis hinzuweisen: „Wirtschaftsinteressen müssen sich einer menschenrechtlichen und friedensorientierten Außenpolitik unterordnen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) zur taz.

„Eine Normalisierung des Verhältnisses mit dem Iran“ sei angesichts der anhaltenden Hetze gegen Israel und brutaler Menschenrechtsverletzungen sowie der Unterstützung von Terrorgruppen „nicht angebracht“. In dem Sinne hatte der niedersächsische Landesverband der DIG schon Anfang September eine Resolution gegen die Fahrt vorgelegt. Titel: „Mit Mördern macht man keine Geschäfte.“

Deutschland prescht vor

Doch seit dem Abkommen vom 14. Juni, mit dem Iran eingewilligt hatte, zunächst keine Atombombe zu bauen, lockert sich das Embargo. Deutschland prescht dabei vor: Während alle EU-Staaten erst mal auf reine Diplomatie setzen und Außenminister schicken, kehrt man hier die Reihenfolge um. Nach 15 Jahren Iran-Abstinenz landet mit Lies schon die zweite ministeriell begleitete deutsche Wirtschaftsdelegation in Teheran. Gleich nach Unterzeichnung des Atomdeals war Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) mit Industrie-Entourage in den Gottesstaat gejettet. Erst im Laufe des Oktober macht Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) seine Aufwartung.

We come in peace

Dual-Use ist vielfältig möglich und entzieht sich bislang einer effektiven Kontrolle. Aber mehr als ein Zehntel der Firmen, für die Niedersachsens Wirtschaftsminister im Iran wirbt, handeln ausdrücklich mit Rüstungskomponenten oder sind Dienstleister fürs Militär. Es handelt sich um:

Buss Group GmbH, Hamburg

Continental AG, Hannover

d-i davit international GmbH, Sulingen

Hytera Mobilfunk GmbH, Bad Münder

Oelmann Elektronik GmbH, Springe

Piller Germany GmbH, Osterode

Volkswagen AG, Wolfsburg

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat von Göttingen aus an Lies appelliert, „jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um sich für die aus religiösen Gründen inhaftierten Bahá’i und alle anderen politischen Gefangenen zu engagieren“. Und der Wirtschaftsminister hat auch fest zugesichert, die Menschenrechte anzusprechen.

Aber wie wenig das Teheran interessiert, lässt sich an Gabriels Reise ablesen: Mit seiner Bitte, doch Israel anerkennen, war er auf Granit gestoßen. Überrascht haben kann ihn das nicht. Denn die martialischen Töne gegen Jerusalem haben seit dem 14. Juni deutlich an Schärfe und Lautstärke zugenommen: Israel sei „der einzige Verlierer“ des Abkommens, hatte das iranische Außenministerium am Tag der Unterzeichnung mitgeteilt.

Hauptsache, man ist auf der Gewinnerseite

Wenn Israel einziger Verlierer ist, muss Niedersachsen auf der Gewinnerseite stehen: „Die für den Iran wichtigen Bereiche“, hatte Lies schon bei der Zusammenstellung seiner Reisegruppe gewusst, „sind allesamt Leitmärkte in Niedersachsen.“ Gemeint hatte er damit neben Agrar- und Ernährungswirtschaft vor allem den Maschinenbau, die Mobilitätsindustrie und die Energiewirtschaft. Das aber ist nicht unproblematisch, wie auch Kindler eingesteht. „Es ist völlig klar, dass Rüstungskooperationen mit dem Regime im Iran ausgeschlossen sind“, benennt der Bundestagsabgeordnete einen Minimalstandard: „Darunter müssen selbstverständlich auch Dual-Use-Produkte fallen.“

Die auszuschließen ist schwierig: Auch die Komponenten der Chemiewaffen, mit denen Irans engster Verbündeter, Syriens Diktator Assad, sein Volk vergast hat, waren aus Deutschland als Düngemittel exportiert worden. Aber das Ministerium in Hannover hat das Problem nicht auf dem Schirm: Eine Anfrage der taz bleibt ergebnislos. Und so begleiten Lies zwar keine reine Rüstungsfirmen an den persischen Golf. Doch etliche der mitreisenden Unternehmen haben die eigenen Geschäfte zumindest partiell auf militärische Kundschaft ausgerichtet (siehe Kasten).

Etwa das auf unterbrechungsfreie Stromversorgung spezialisierte Unternehmen Piller aus Osterode macht Umsatz mit rüstungsnahen Produkten und Dienstleistungen: Im Zweiten Weltkrieg dank Zwangsarbeitern groß geworden, bietet es heute unter anderem „spezielle Land-Schiff-Versorgungen sowie Bordnetz-Systeme für U-Boote“ an. Auf seine „zuverlässigen Systeme“ verlassen sich im Flugbereich die Luftwaffe der Bundeswehr, die Royal wie die US-Airforce. Kein Wort dazu aus dem Ministerium.

Große Worte vom FDP-Mann

Trotzdem ist sich der Mitreisende FDP-Abgeordnete Gero Hocker sicher, bei der Fahrt die Menschenrechte ansprechen zu können. „Wenn es dafür keinen Ort gibt, muss man sich einen Ort schaffen“, tönt er.

Dass ausgerechnet der Generalsekretär der Niedersachsen-FDP, obwohl umwelt- und nicht wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, mitreist, verdient besondere Beachtung: Als sich 2012 der Delmenhorster FDP-Mann Claus Hübscher als Mitglied einer so merkwürdigen wie privaten Reisegruppe ungeplant zum Shake-Hands mit dem damaligen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad geladen sah, fand Hocker das noch unerträglich. Er werde versuchen, ihn „davon zu überzeugen, seine Kandidatur zurückzuziehen“, kündigte er an. Sein eigenes Landtagsmandat will Hocker nun aber trotz seiner Reise behalten, teilte er der taz auf Anfrage mit.

Er habe „schon den Eindruck“, dass sich die Lage mit Ende der Amtszeit von Ahmadinedschad geändert habe und nun „eine andere Gangart“ herrsche. Zudem sei es etwas anderes, „gut vorbereitet in so ein Gespräch zu gehen, als etwas unbedarft dort hineinzustolpern“.

Hockers Sachkunde indes scheint schwach ausgeprägt: Während er ahnungsvoll von Verbesserungen „hinter den Kulissen“ raunt und sich übers weichere Wording von Präsident Hassan Rohani freut, weisen die Berichte von UN und unabhängigen Organisationen darauf hin, dass sich unter diesem die Menschenrechtslage verschlechtert hat – am deutlichsten im Jahr 2015: Schon im Juli hatte Amnesty International 694 Hinrichtungen gezählt. „Das entspricht“, so der Bericht, „mehr als drei Exekutionen pro Tag.“ Lies Reise endet am Mittwoch, nach statistisch 18 Toten.

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