piwik no script img

Bloß nicht die Zielgruppe verprellen

Fußball Der BFC Dynamo hat ein Problem. Schon zu DDR-Zeiten gedieh in der Kurve von Dynamo im Schatten der Stasi eine schlagkräftige Hooliganszene.Und auch heute sind viele Fans gewaltbereit, rassistisch und homophob

von Jan Tölva

„Dynamo Dresden?“, fragt der Verkäufer im Späti um die Ecke auf die Frage, was er von „Dynamo“ hält. Er wirkt etwas irritiert. Seit mehr als einem Jahr trägt der BFC Dynamo jetzt bereits seine Heimspiele im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im Prenzlauer Berg aus. So richtig angekommen scheint das im Kiez allerdings noch nicht zu sein. Zwischen Straßencafés und Biosupermärkten wirkt der überwiegend breitschultrige Anhang der Regionalligisten irgendwie deplatziert. Und auch der BFC selbst wirbt vor Ort kaum für sich und seine Spiele.

Dabei ist der Fußballclub streng genommen nicht neu in dem Quartier. Er hat sich nur eine ganze Weile nicht blicken lassen. Genau hier war es nämlich, wo der BFC als regelmäßiger Vertreter der DDR im Europapokal seine größten Erfolge gefeiert hat. Auch sein auf absehbare Zeit letztes Europapokalspiel, ein glanzloses 1:1 gegen AS Monaco, hat hier stattgefunden.

Acht Tage später fiel die Mauer, die kaum einen Steinwurf von den Rängen des Stadions entfernt lag, und alles wurde anders.

Der Verein, der sich mittlerweile FC Berlin nannte, verpasste die Qualifikation für die Bundesliga und spielte fortan drittklassig. Seine Heimspiele fanden im Sportforum Hohenschönhausen statt, nur für sogenannte Risikospiele wich man weiterhin in den Jahn-Sportpark aus. Derweil verlor der Verein, der seit 1999 wieder als BFC Dynamo firmiert, langsam aber sicher den finanziellen Boden unter den Füßen. Die Insolvenz 2001 war die logische Konsequenz.

Der Ruf ist nicht der Beste

Dass man es geschafft hat, wieder auf die Beine zu kommen, liegt in erster Linie an der Hingabe der Fans. Viele, die in den letzten Jahren Verantwortung übernahmen oder als Sponsoren auftraten, stammen selbst aus der Kurve. Etwas anderes wäre wohl auch kaum möglich gewesen, denn der Ruf des BFC dürfte noch immer bestens dazu geeignet sein, so ziemlich jeden potentiellen Geldgeber auf Distanz zu halten.

Schon zu DDR-Zeiten gedieh in der Kurve von Dynamo im Schatten der Staatssicherheit eine schlagkräftige Hooliganszene, die sich auch nach der Maueröffnung weiter fröhlich durch die Stadien prügelte. Heute geht es beim BFC, wie überall im Fußball wesentlich friedlicher zu. Aber dass es 2011 im DFB-Pokal gegen Kaiserslautern Ausschreitungen und Verletzte gab, hat wohl nur die wenigsten überrascht.

Auch heute sitzt die Faust bei etlichen Gefolgsleuten des BFC vergleichsweise locker. Über 500 Anhänger des Vereins sind Schätzungen der Polizei zufolge „gewaltbereit“. Ein Viertel von ihnen ist sogar als „gewaltsuchend“eingestuft. Bei einem Zuschauerschnitt von rund 1.700 Menschen ist das alles andere als wenig.

In dieses Schema passt, dass beim ersten Saisonspiel gegen Zwickau Ende Juli ein schwules Paar in Stadionnähe aus einer Gruppe BFC-Fans heraus erst beleidigt und tätlich angegriffen wurde.

Alle Fans des BFC über einen Kamm zu scheren wäre falsch. Aber es ist und bleibt eine Tatsache, dass Nazis noch immer ein fester und weithin sichtbarer Bestandteil der Fanszene des Vereins sind.

Alle Fans des BFC über einen Kamm zu scheren wäre falsch. Aber es ist und bleibt eine Tatsache, dass Nazis noch immer ein fester und weithin sichtbarer Bestandteil der Fanszenedes Vereins sind

Auch bei den rassistischen Montagsdemonstrationen gegen die Unterbringung von Geflüchteten sind immer wieder Fans des BFC zu sehen. Als im Januar in einer Halle, in dem der Verein Sport für Kita-Kinder anbietet, kurzfristig Asylbewerber untergebracht werden sollten, beschwerte sich der Club öffentlich. Man könnte auch sagen, der FC Berlin gießt selbst fleißig Öl ins Feuer.

Keine Sensibilität

Warum der menschenverachtende Vorfall beim Zwickau-Spiel nicht zum Anlass genommen werde, sich wie andere Berliner Vereine endlich gegen Homophobie zu wenden, wurde der Verein unlängst gefragt. Pressesprecher Christoph Romanow ließ mitteilen, man habe „derzeit kein Interesse an der Beantwortung dieser Fragen“.

Es fällt schon schwer, zu begreifen, wie ein Verein, der immerhin von zwei Söhnen von Arbeitsmigranten trainiert wird, die auch noch aus dem Westen kommen, und in dessen Teams Menschen mit verschiedensten kulturellen Hintergründen kicken, so wenig sensibel sein kann für Themen wie Rassismus und Diskriminierung. Ein bisschen wirkt es so, als hätte der BFC Angst, seine Zielgruppe zu verprellen. So als hätte er es sich recht gemütlich eingerichtet in seiner Nische als raubeiniger Ostclub mit teils lernresistentem Publikum. Gut möglich, dass er sich damit selbst unterschätzt.

Das nächste Heimspiel des BFC Dynamo im Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark findet am 2. Oktober um 19 Uhr gegen FSV 63 Luckenwalde statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen