Geht‘s noch?: Sicherheitslücke? Och
Hersteller wie Telekom werfen unfertige und schlechte IT unter die Kunden, damit sie ihre Wohnungen steuern können
Es ist die Illusion einer perfekten Welt. Na gut, des perfekten Zuhauses, aber für viele ist das ja das Gleiche. Immer wohl temperiert, immer das passende Licht, der Backofen startet aus der Ferne, die Jalousien fahren abends von allein herunter und das Wichtigste: Ungebetene Gäste werden mit Kameras und Bewegungsmeldern frühzeitig entdeckt und durch Lichtsignale verschreckt. Alles natürlich steuer- und einsehbar per App. „My Smart Home is my smart castle“, wirbt die Telekom. Ernsthaft.
Pech für die Kunden, dass sich in dieser Woche das vernetzte Zuhause von seiner weniger smarten Seite zeigte. Schuld war ein technisches Problem im Rechenzentrum des Smart-Home-Systems Qivicon, das die Telekom nutzt. Die Folge: Heizungen blieben kalt, das Haus dunkel und in Kombination mit Rollläden, die nicht hochfahren wollten, gab es tatsächlich ein bisschen Castle-Feeling.
Ach wären es doch nur die Smart Homes. Und nicht auch Smartphones, Router und Tablets, Apps, Firmware und Content Management Systeme. IT, von Herstellern auf den Markt geworfen und dann sich selbst überlassen. Oder den Nutzern. Sicherheitslücken, fehlende Updates? Ach, wieso. Der Kunde kann doch einfach ein neues Gerät kaufen.
Eine super Geschäftsidee für alle, die ausreichend Chuzpe haben: Schlechte Leistung, und damit noch mehr Geld verdienen. Und während sich ein Smartphone im schlimmsten Fall noch mal ersetzen lässt, hat der Smart-Home-Nutzer ein echtes Problem, wenn mitten im Winter die Heizung nicht mehr geht, weil es ein Problem im Rechenzentrum gibt. Oder eine Sicherheitslücke in der Steuerungssoftware.
Und es geht noch weiter: Mit dem Internet der Dinge soll vom Auto über die Zahnbürste bis zur Socke so ziemlich alles vernetzt werden. Was da an Hard- und Software drinsteckt! Was da auf aktuellem Stand gehalten werden müsste! Was das an Geld einbringt, wenn Kunden einen neuen Toaster kaufen, weil der alte ferngesteuert einen Brand verursachen könnte. Aber wer streitet sich schon mit dem Hersteller über den Preis eines Toasters?
Die perfekte Welt. Für die Industrie. Svenja Bergt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen