: Der Neue soll es besser machen
Dieselgate Am Freitag soll der VW-Aufsichtsrat Ex-Porscheboss Matthias Müller zum Chef küren – und drei Manager absägen. Doch auch auch andere Unternehmen stehen in der Kritik, bei Tests zu betrügen
Von Manfred Kriener
Porsche-Chef Matthias Müller wird Medienberichten zufolge neuer Vorstandschef von Volkswagen. Der Aufsichtsrat werde den 62-jährigen Manager am Freitag zum Nachfolger von Martin Winterkorn bestellen.
Nach dem Rücktritt von VW-Chef Martin Winterkorn will der Aufsichtsrat, der sich als Krisenmanager inszeniert und die eigene Mitverantwortung bestreitet, am Freitag weitere Verantwortliche für die Manipulationen nennen. Drei Topmanager stehen offenbar auf der Abschussliste, darunter Audi-Vorstand Ulrich Hackenberg, zuvor Chefentwickler bei VW, der VW-Motorenverantwortliche Wolfgang Hatz und der aktuelle Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer.
Michael Cramer, Verkehrsexperte der Europa-Grünen, sieht dagegen auch die Aufsichtsräte mit in der Schuld. Die Manipulationen und üblen Tricks bei Abgastests seien lange öffentlich diskutiert worden. Das hätten die Aufsichtsräte wissen müssen. VW musste am Donnerstag eingestehen, dass auch in Europa zugelassene Dieselfahrzeuge von den Manipulationen betroffen sind. Der VW-Skandal offenbare, sagt Cramer, dass Dieselautos in großer Mehrheit den Stickoxid-Grenzwert im Schnitt um das Siebenfache übersteigen.
Die britische Verbraucherorganisation Which hat auf ihrer Webseite allen europäischen Autoherstellern vorgeworfen, bei Abgas- und Verbrauchstests systematisch zu betrügen. Von 200 durch Which getesteten Autos verschiedener Hersteller hätten nur bei drei Fahrzeugen die realen Messwerte mit den offiziellen Angaben übereingestimmt.
Die Deutsche Umwelthilfe hat die Betrugsmanöver der Autobauer bei den Verbrauchs- und Abgastests im Detail dokumentiert.
Die wichtigsten Punkte neben der manipulierten Motoren-Software: Autos würden durch den Ausbau bestimmter Teile vor den Tests „gewichtsoptimiert“. Verwendete Spezialreifen werden absurd hoch bis 4 Bar aufgepumpt. Schlitze am Auto werden gestopft und abgeklebt. Hohe Außentemperaturen und niedriger Luftdruck bringen bessere Werte. Die Batterien werden extern voll aufgeladen, damit die Lichtmaschine während des Tests abgeschaltet werden kann. Spezialöle und manipulierte Motorsteuerungen senken Verbräuche.
Der Berliner Verkehrsexperte Axel Friedrich erinnerte am Donnerstag an die gesundheitlichen Folgen erhöhter Dieselemissionen, die in der Aufarbeitung des Skandals zu kurz kämen. Allein in Deutschland würden jährlich 60.000 Menschen durch Luftschadstoffe sterben, in der EU 430.000. Stickoxid-Emissionen des Verkehrs seien dabei eine wichtige Ursache.
Am Donnerstag rückte BMW ins Rampenlicht. Der ADAC hatte den BMW 116i im Auftrag der Umwelthilfe nach getestet und dabei bis zu dreißigfach überhöhte Stickoxid-Emissionen ermittelt, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, stellt das Kraftfahrtbundesamt als Kontrollorgan in den Fokus: Die Behörde sei „ein Bettvorleger der Autoindustrie“ und deren „verlängerter Arm“ geworden, die bei ihren Kontrollen komplett versagt habe.
Der Kasseler Verkehrsprofessor Helmut Holzapfel fordert neue Testverfahren, die endlich der Realität der Straße entsprechen müssten. Allein die Tatsache, dass Autos nur bis zur Geschwindigkeit von 120 Stundenkilometer geprüft würden, sei „ein Witz“. Bei Geschwindigkeiten über 120 Stundenkilometern schalte sich die Abgasreinigung ab, denn in diesem Bereich werde ja auch nicht gemessen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen