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Selbstfahrende Autos und DatenschutzKeine Angst vor dem Autopiloten

Die Angst vor Unfällen mit selbstfahrenden Autos ist übertrieben. Worum wir uns kümmern müssen, ist die Sicherheit unserer Daten.

Fährt ganz von allein. Und sammelt nebenbei fleißig unsere Daten: das Google-Auto. Foto: dpa

Die Automobilausstellung rollt wieder! International, mit Rundgang der Kanzlerin! Das interessiert Sie gar nicht so sehr? Und selbst Ihr Nachbar redet nicht mehr ständig über Autos? Da geht es Ihnen wie vielen. Dabei ist derzeit auf Autoausstellungen tatsächlich mal etwas Neues geboten, eine Vision gar. Denn die Branche tüftelt mit Hochdruck an mehr oder weniger selbstfahrenden Autos.

Und so geht mit der Autoausstellung auch wieder die Debatte los, ob das eine gute Sache ist, derart die Verantwortung abzugeben an eine Maschine. Doch diese Sorge ist unbegründet.

Derzeit haben die intelligenten Autos noch viele Kinderkrankheiten. Aber auf Dauer kann kein intelligentes System mieser sein als der Auto fahrende Mensch. Unter 1.000 Fahrern sind nun einmal labile Raser, Einschlafende, Betrunkene, Halbblinde, Telefonierende, Streitende. Wie sollen die kommenden künstlichen Intelligenzen da schlechter sein?

Auch die häufig gestellte Frage, wie weit der Fahrer, der Programmierer oder der Autohersteller bei einem Unfall haften, wird sich lösen lassen. Eine Debatte und die anschließende gesetzliche Regelung wären ein Fortschritt – immerhin verkaufen wir schon heute Gewehre, betreiben Banken und lassen giftige Chemie in Mengen zu. Und das ganz ohne eine funktionierende private Haftungsregelung, da haftet die Allgemeinheit.

Google, Apple & Co.

Schlauer wäre es also, die wirklich kniffligen Fragen von Fahrzeugen ohne Fahrer zu erörtern. Etwa: Was wird aus den Autoherstellern? Die ernähren in Deutschland mit ihren Zulieferern das halbe Land und stellen sich vor, dass sie über die kommenden Jahrzehnte Stück für Stück das Auto immer schlauer machen und so immer teureres Zubehör verkaufen – wie in den vergangenen Jahrzehnten mit Airbags, Allradantrieb und LED-Scheinwerfern für 2.000 Euro.

Das Anti-Sekundenschlaf-System

Beobachtung: Wenn das Auto nicht selbst steuert, aber die Straßen trotzdem sicherer sein sollen – dann wird eben der Fahrer überwacht. Das Anti-Sekundenschlaf-System einer australischen Firma etwa erkennt, wenn der Mensch auf dem Fahrersitz einschläft. Das Gesicht und die Augen werden permanent von einer Kamera an der Windschutzscheibe vermessen.

Eingriff: Ein Nicken wird über die Lage der drei Achsen x, y, z erkannt. Die Daten gehen an den Bordcomputer. Der ergreift gegebenenfalls selbst Maßnahmen wie ein Alarm an eine Leitstelle oder Vibrationen im Fahrersitz. Das System ist unter anderem bei Tausenden Groß-Lkws in Erzminen und bei Bussen im Einsatz. Die Einrichtung kostet über 10.000 Euro.

Doch so funktioniert die Welt nicht mehr. Google, Apple und andere Silicon-Valley-Riesen sind die Marktführer bei den „self-driving cars“. Sie werden nicht brav wie ein Autozulieferer bei Volkswagen oder Toyota um eine Aufnahme ins Sortiment verhandeln. Sie entwickeln eigene Systeme, eigene Patente. Und eigene Geschäftsmodelle.

Die Erfahrung zeigt, dass sich die US-Konzerne wenig um den Datenschutz scheren. Er steht ihrem Geschäftsmodell sogar im Weg. Sie verdienen mit maßgeschneiderten Datenprofilen einen guten Teil ihres Profits. Wenn sich die Europäer also nicht von vornherein auf einen fachlichen und rechtlichen Standard einigen, werden ihre Datenschützer wie schon bei Webbrowsern oder Smartphones der Lächerlichkeit preisgegeben.

Dann wäre auch bei der Mobilität die Privatheit perdu. Es würden nicht nur wie jetzt schon bei vielen Fahrzeugtypen Fahrweise und Route gespeichert, sondern die Daten auch noch weiterverkauft.

Es ist doch so bequem

Und auch vor Hackern werden die selbstfahrenden Computer nicht sicher sein. Da wird eine Verschlüsselung helfen. Auch die sollte einheitlich und über eine offene Software laufen, damit sie auch unabhängig überprüft werden kann.

taz.am wochenende

Empathie ist ein unpolitisches Gefühl. Manche erkennen in den Flüchtlingen sich selbst. Manche sehen in ihnen das Fremde, das die eigene Gruppe bedroht, der wiederum ihre Empathie gilt. In der taz.am wochenende vom 19./20. September 2015 gehen wir der Frage nach, wie Mitgefühl funktioniert, was es bewirkt und ob daraus Politik werden kann. Außerdem: Selbstfahrende Autos sind gut für die Umwelt, drängeln nicht und sind nie betrunken. Retten sie die die Autoindustrie? Und: Christian Walliser betreibt mit seinem Mann Jan einen Raubtierhof im Schwarzwald. Das alles gibt's am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

All das wird die Industrie nicht von alleine tun. Denn wen kümmern im Zweifel der Datenschutz und das Restrisiko bei so viel Bequemlichkeits- und Geldgewinn? Wenn Blinde, Kinder oder andere ohne Fahrerlaubnis einfach vom Auto chauffiert werden? Schon heute siegt die Bequemlichkeit vor den Bedenken, wie die milliardenfache Nutzung von Smartphones und anderen Datensaugern zeigt.

Wir sollten die autonomen Autos nicht verteufeln oder sie als Science-Fiction belächeln, sondern uns um ihre Ausgestaltung kümmern.

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8 Kommentare

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  • Aus meiner Sicht ist das alles schon kalter Kaffee. Bei den Flugzeugen baut man die Autopiloten jetzt wieder nach und nach zurück. Warum? Weil die Piloten sonst allmählich das Fliegen verlernen und im Ernstfall kommt es nun mal auf fliegerisches Können und Erfahrung an. Bestes Beispiel ist Chesley B. Sullenberger und seine Notlandung auf dem Hudson River. Kein Autopilot der Welt hätte das jemals so hingelegt.

  • Nochens -

     

    “We don’t know how the human brain works.” Mit diesem Satz macht Patrick Breitenbach auf einen Artikel aufmerksam, der sich mit den Thesen von Kurzweil beschäftigt: “Why Ray Kurzweil is Wrong: Computers Won’t Be Smarter Than Us Anytime Soon”.

     

    Es sind letztlich völlig überdrehte, anmaßende und werbegetriebene Thesen, die man mit Big Data, Künstliche Intelligenz und Neurowissenschaften verbindet. Das wirkt sich vielleicht positiv auf den Verkauf von Büchern über das Ende des Zufalls aus oder über Neuro-Leadership, Neuro-Marketing und Maschinen-Intelligenz. Es ist auch eine beliebte Methode, um milliardenschwere Forschungsbudgets und Beratungsaufträge zu kapern, wie beim Human Brain Project. Beim öffentlichen Diskurs sollte man die wirtschaftlichen Interessen dieser Akteure nicht aus den Augen verlieren. Siehe dazu auch: “Die große Neuro-Show – Was wurde aus den Verheißungen der Hirnforschung? Wissenschaftler ziehen Bilanz. Sie fällt dürftig aus”.

     

    Die Systeme können nur das, was Menschen programmiert haben und daraus ableiten. Es sind hoch manipulative, konstruierte und erfundene Welten, die immer zu richtigen Ergebnissen kommen. Richtig im Sinne des Erfinders, Konstrukteurs, System-Ingenieurs, Mathematikers, Software-Entwicklers, Hirnforschers oder KI-Wissenschaftlers: Die Logik sei nur ein Beschreibungsapparat, so wie die Grammatik für Sprache, sagt Systemtheoretiker Heinz von Foerster im Fernsehinterview mit Lutz Dammbeck. http://ichsagmal.com/2014/03/09/wer-zu-open-data-nicht-bereit-ist-sollte-von-big-data-schweigen-datability-cebit-systemtheorie-schirrmacher/

     

    & ff unbedingt.!!!

     

    Heinz von Foerster gut in Form;))

    Also viel Spaß dabei - &

    vielleicht bleibt auch in der taz so viel hängen - daß meine Lachmuskeln

    sich wenigstens am Wochenende

    a weng erholen können.

    Danke;))

    Always at your service!

  • Das ist doch alles Neuland. Können wir nicht einfach Waffen verkaufen, so wie immer?

  • Wer womit das dicke Geld macht ist zweitrangig. Wo aber bleibt der selbst bestimmte Mensch, der sich in jeder Situation neu entscheiden muß? Steven Hawkyn, der große Wissenschaftler, an dessen Lippen sonst alle hängen, um keine seiner Erkenntnisse zu verpassen, warnt eindringlich vor der "intelligenten Maschine". Sie würde die Macht über die Menschen übernehmen und nicht mehr zu beherrschen sein. Warum hört man ihm und anderen Wissenschaftlern in diesem Fall nicht zu? Mir graust vor dieser Entwicklung, nichts daran ist zu bewundern.

  • In Ihrem Artikel werden einige Fakten falsch dargestellt.

     

    So ist nicht Google oder Apple Weltmarktführer bei selbstfahrenden Autos.

     

    Google hat nicht mehr als 30 selbstfahrende Autos im prototypischem einsatz auf US Straßen und ist damit etwas mehr als 20 Millionen Kilometer gefahren.

     

    Apple entwickelt nur Software für die Peripherie.

     

    Von Tesla, die auch ein wichtiger Player bei selbstfahrenden Autos sind fehlt in Ihrem Artikel jede Nennung.

     

    Wirklich ist aber die Firma John Deere der Weltmarktführer im Bereich selbstfahrende Autos. Die haben schon über 10000 Autos/Traktore/Erntemaschinen im produktiv Einsatz, welche selbstfahrend und KI (künstliche Inteligenz) gesteuert sind.

  • "Aber auf Dauer kann kein intelligentes System mieser sein als der Auto fahrende Mensch. Unter 1.000 Fahrern sind nun einmal labile Raser, Einschlafende, Betrunkene, Halbblinde, Telefonierende, Streitende. Wie sollen die kommenden künstlichen Intelligenzen da schlechter sein?"

     

    Das ist ja klasse - informieren Sie sich doch vorher mal in der wissenschaftlichen Fachliteratur über den tatsächlichen Stand der Technologie im Bereich der Robotik, der Assistenzsysteme sowie der sensorischen Umwelterfassung hinsichtlich Robustheit und Zulassbarkeit. Die Community wäre überglücklich, wenn sich sich nur im Größenordnungsbereich an den menschlichen Leistungsberich annähren könnte.

  • 6G
    65572 (Profil gelöscht)

    "die wirklich kniffligen Fragen" sind laut Artikel: wer sahnt wo ab.

    Die wesentlichen Fragen werden im Kommentar https://www.taz.de/Selbstfahrende-Autos/!5022504/ von SIKASUU angesprochen.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Hey, das ist cool, als nächstes gibts dann Autos, in denen der Fahrer komplett vom Computer ersetzt wird. Danach wird die Kiste aus Sicherheitsgründen auf Schienen gesetzt und wir finden uns - Schwuppdiwupp - im vorvergangenen Jahrhundert wieder, als die Straßenbahn erfunden wurde.

     

    (Kleiner Trost für die eifrigen Erfinder: auch das Rad oder die Gießkanne wurden öfter erfunden...)