piwik no script img

Kabarettist über Österreichs Fußballer„So merkwürdig konstant“

Dirk Stermann wundert sich über den Erfolg des österreichischen Teams, das sich für die EM qualifiziert hat und spricht über Flaschen, Malente und Córdoba.

Wer EM-reif ist, darf es auch rausposaunen: David Alaba und Martin Harnik (r) Foto: dpa
Ralf Leonhard
Interview von Ralf Leonhard

taz: Herr Stermann, haben Sie am Dienstag das Match Österreich gegen Schweden gesehen?

Dirk Stermann: Nein, weil ich in Hamburg war. Aber ich freue mich sehr. Als Wahlösterreicher hab ich’s erst geglaubt, als es jetzt wirklich rechnerisch nicht anders möglich war.

Warum geht’s auf einmal?

Was erstaunlich ist aus österreichischer Sicht, ist diese Konstanz. Österreich war oft gut und hat dann gegen Vollflaschen verloren. Diesmal sind sie halt so merkwürdig professionell und merkwürdig konstant. Das ist eine neue Qualität. Ich bin mir sicher, dass das die beste österreichische Mannschaft ist, seit ich in Österreich bin. Es hat 27 Jahre gedauert, bis eine Mannschaft neben mir so gut werden konnte.

Was macht Marcel Koller besser als seine Vorgänger als Teamchef?

Er hat einfach bessere Spieler, die gut ausgebildet sind und in guten Vereinen spielen. Außer Robert Almer [Austria Wien; d. Red.] spielen ja alle im Ausland. Ich glaube, dass ihnen das guttut. Es gab ja immer mal welche, die im Ausland gespielt haben, das waren aber nur zwei, drei. Und diesmal ist mehr oder weniger die ganze Mannschaft gewohnt, in einem professionellen Umfeld zu spielen, wo man nicht hochgejubelt wird, ohne dass etwas dahintersteckt. Die müssen sich Woche für Woche beweisen und können das dann übersetzen ins Nationalteam. Ich glaube, das Problem bei Hans Krankl [Teamchef von 2002 bis 2005; d. Red.] war, dass er seinen Spielern immer gesagt hat, wie super er war. Und da hat keine Mannschaft Lust zu spielen, wenn der Trainer sagt, dass er der Beste ist.

Marcel Koller ist also anders.

Koller ist so ruhig, so langweilig schweizerisch. Das tut denen unheimlich gut. Und er scheint auch Ahnung vom Fußball zu haben. Wenn diese Spieler von einem internationalen Klub ins Team kommen, haben die das Gefühl, der Typ weiß, wovon er spricht. Und das ist nicht unwichtig.

Udo Leitner/www.stermann-grissemann.at
Im Interview: 

Der 49-Jährige ist Radiomoderator, Kabarettist und Autor. Er lebt seit 1988 in Wien – und arbeitet meist zusammen mit dem Österreicher Christoph Grissemann. Stermanns bekanntestes Buch: „Sechs Österreicher unter den ersten fünf“.

Wie weit kann es nun gehen?

Viele Freunde von mir glauben, dass der EM-Titel drin ist. Man freut sich, dass sich eine Mannschaft erstmals qualifiziert hat für eine EM, und das nicht als Dritter, sondern als Erster. Aber die Mannschaft ist es nicht gewohnt, in einem Turnier zu spielen, und das ist wieder was anderes. Also ich würde den Ball flach halten.

Deutschland beginnt ja meist mittelmäßig und wird dann Weltmeister.

Leider nicht immer. Sie starten mittelmäßig und scheiden auch manchmal im Halbfinale aus. Ich glaub, warum auch immer, man braucht so eine Turniermentalität, um diesen Geist von Malente aufzubauen. Das muss man irgendwie gewohnt sein, wie öd das ist und wie genervt die Ersatzspieler sind und dieses ständige Spielenmüssen. Also wart mer mal ab.

Ist der Mythos von Córdoba als Heldenepos des österreichischen Fußballs jetzt überwunden?

Er ist jetzt mal verdrängt. Überwunden glaub ich nicht. Denn es war immer wichtiger, gegen Deutschland zu gewinnen, als sich für ein Turnier zu qualifizieren. Man hat aber jetzt einen mindestens genauso wichtigen Nebenkriegsschauplatz, auf dem man reüssiert hat.

Sie leben lange in Österreich und sind gut integriert. Wenn Deutschland gegen Österreich spielt, für wen sind Sie dann?

Peinlicherweise für Deutschland. Aber ich kann nur verlieren. Wenn Deutschland verliert, hab ich verloren, wenn Österreich verliert, hab ich auch verloren. Und bei einem Unentschieden hat jeder Zuschauer verloren. Für mich ist das die schlechteste Variante. Das letzte Mal war ich bei so einem Match im Happel-Stadion. Österreich war viel besser. Dann hat Ballack das 1:0 aus einem Freistoß geschossen. Ich hatte das Gefühl, dass mich 50.000 Menschen wutentbrannt anstarren. Und zwar zu Recht.

Lange Zeit war es ja so, dass die ÖFB-Elf gut war, aber nicht ins Tor getroffen hat.

Toni Polster hat ja immer getroffen, aber da haben die anderen kein Potenzial gehabt. Neu ist jetzt, dass sie auf jeder Position gut besetzt sind. Der mit Abstand wichtigste Spieler ist Zlatko Junuzovic. So einen gab es noch nie, seit ich in Österreich bin. Jemand, der so klar spielt, so konstant und ballsicher ist. Und David Alaba als Weltklassespieler. Die anderen fallen nicht sehr ab dagegen. Man kann es sich sogar leisten, jemanden wie Marko Arnautovic mitzuschleppen mit seiner balkanesisch-österreichischen Mentalität, der nach der 2. Minute schon den Kopf hängen lässt.

Werden Sie zur EM nach Frankreich fahren?

Nein, dazu hab ich keine Lust. Das Schlimmste ist, wenn ich deutsche Fans auf der Straße treffe. Das halt ich nicht aus.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!