piwik no script img

kommentar von Kai VON APPEN Zu verdeckten ermittlernKosmetische Anordnung im Sinne des Staatsschutzes

Verdeckte Ermittlungen müssen unter Richtervorbehalt gestellt werden

Es klingt auf Anhieb erst mal gut, was Innensenator Michael Neumann (SPD) als Konsequenzen aus der Affäre um die heute 42-Jährige Undercover-Polizistin Iris P. alias „Iris Schneider“ zieht. Die sogenannten „Beamten für Lagebeurteilung“, die zur präventiven Aufklärung eventueller kniffliger Lagen verdeckt eingesetzt wurden und dabei regelmäßig ihre Kompetenzen überschritten, indem sie in Privatsphären und Wohnungen eindrangen, werden nicht mehr in der linken Szene eingesetzt.

Damit erfüllt Neumann nur scheinbar eine Forderung der Linken und der Grünen, die seit einem Jahr im Raum steht und die im Jahr 2000 mit dem verdeckten Aufklärer „Stefan“ fast zu einem Bruch der rot-grünen Koalition geführt haben.

Im gleichen Atemzug macht Neumann aber auch klar, dass er keineswegs gedenkt, verdeckte Ermittlungen gänzlich einzustellen, bei denen sich die Ermittlerin oder der Spitzel das Vertrauen und die Freundschaft von Menschen erschleicht und in die Privat- und somit Intimsphäre der Zielpersonen eindringt.

Im Gegenteil: Der oder die verdeckte Ermittlerin haben ausdrücklich durch die Rechtskonstruktion des verdeckten Ermittlers zur Gefahrenabwehr den Auftrag, nicht nur kurzzeitig politische Aktivitäten ihres Umfeldes zu infiltrieren, sondern bekommen durch ihre Befugnisse die Order, sich langfristig bei der Zielgruppe hautnah einzunisten.

Daran ändert auch nichts, dass für derartige Einsätze eine staatsanwaltschaftliche Genehmigung eingeholt werden muss. Wer die politische Staatsanwaltschaft in Hamburg kennt, der weiß, dass so etwas ein Selbstgänger ist. Es sei nur daran erinnert, dass die Anklagebehörde verfassungswidrig das Radio „Freie Sender Kombinat“ filzen ließ, um eine Tonbandkassette zu beschlagnahmen. Und der angeblich genehmigte Einsatz der verdeckten Ermittlerin Maria B. mit dem Tarnnamen „Maria Block“ dauerte immerhin vier Jahre, ohne dass die Staatsanwaltschaft Bedenken bekommen hatte.

Derartige verdeckte Ermittlungen zur Gefahrenabwehr bedürfen daher mindestens eines richterlichen Vorbehalts ebenso wie verdeckte Ermittlungen zur Strafverfolgung. Denn es ist nicht nachvollziehbar, wie es der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar im Innenausschuss formulierte, dass ein Einsatz zur Gefahrenabwehr vier Jahre dauern kann – es sei denn, der Polizeistaat ist längst Realität geworden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen