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Krieg in SyrienFlugverbotszone jetzt

Der Genozid in Syrien ist keine Naturkatastrophe, sondern vor allem der syrischen Luftwaffe geschuldet. Sie muss ausgeschaltet werden.

Zerstörte Gebäude in Aleppo nach einem Luftangriff. Foto: dpa

Berlin taz | Zwei Jahre ist es her, dass das Assad-Regime einen Vorort von Damaskus mit Giftgas beschoss. Damals starben mehr als 1.200 Menschen, vor allem Kinder erstickten. Die USA übten daraufhin Druck auf den syrischen Diktator Bashar al Assad aus und er wurde gezwungen, zumindest einen Teil seines Chemiewaffenarsenals außer Landes transportieren zu lassen.

Trotzdem ließ er weiter chemische Waffen gegen die Bevölkerung einsetzen, ohne dass dies auf internationales Interesse gestoßen wäre.

Trotz der verheerenden Folgen von Giftgasangriffen bleiben das größte Problem jedoch die Fassbomben, die per Flugzeug oder Helikopter auf Märkte, Schulen oder Krankenhäuser abgeworfen werden. Bislang haben Assads Truppen auf diese konventionelle, und daher nicht geächtete Weise – laut Schätzungen der UN – sieben Mal mehr Menschen getötet als der sogenannte Islamische Staat.

Nur eine Flugverbotszone kann die Bevölkerung in Syrien gegen den Vernichtungskrieg schützen, dem sie seit vier Jahren ausgesetzt ist. Die USA hatten mit einer solchen bereits einmal großen Erfolg: 1991 im Irak. Heute ist Kurdistan der einzige funktionierende Landesstrich in diesem Land – und die Flugverbotszone, eingerichtet ebenfalls inmitten des Golfkrieges, war die Voraussetzung dafür.

Ines Kappert

Die Autorin Ines Kappert war bis Ende Juli 2015 Leiterin des taz-Meinungsressorts. Seit August 2015 ist sie Leiterin beim Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.

Die katastrophale Situation, in der sich Millionen vertriebene Syrer heute befinden, auch die Folgen ihrer Vertreibung für die Nachbarländer und selbst für Deutschland (obgleich hier im Vergleich nur Menschen in homöopathischen Maßstab ankommen), sind glücklicherweise zu einem der zentralen Themen geworden.

Es bleibt ein zweiter Schritt zu tun: Die Ursachen für die Vertreibung müssen in den Blick genommen werden. Die Einrichtung einer Flugverbotszone und damit natürlich eine Intervention sind die bitter überfällige Konsequenz daraus.

Demonstrationen

In mehreren Städten finden Demonstrationen statt.

21. August: 18-21.00 Uhr, in Berlin, Pariser Platz

22. August: 13.00 Uhr, in Köln, Bahnhofsvorplatz/Dom

22. August, 13-14.00 Uhr, in Aachen, Adalbertstraße - Kugelbrunnen

Übrigens: Die USA intervenieren längst – aber eben leider nicht gegen das Regime, sondern nur gegen den „Islamischen Staat“. Der aber lässt sich nur eindämmen, wenn das Regime verhandelt und aufhört, die Bevölkerung zu massakrieren. Und es wird nur verhandeln, wenn es militärisch von den USA bedroht wird.

Der Jahrestag des Giftgaseinsatzes ist eine gute Gelegenheit, zwei Themen, die zumeist getrennt voneinander diskutiert werden, zusammen zu denken. Die Ursachen für den Krieg und die Vertriebenen und die seit dem Völkermord in Ruanda geltende Verpflichtung, Menschen vor dem Genozid zu schützen: Duty to protect. Der von der NGO “Adopt a Revolution“ unterstützte Aufruf “Clear the Sky“ macht diese Verbindung und bringt damit zusammen, was zusammen gehört.

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20 Kommentare

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  • Assad ist also laut ZAZ zweifelsfrei für die Giftgasangriffe verantwortlich? Die UN sieht das wohl nicht so und so wie es aussieht gab es auch im letzten Jahr noch Giftgasangriffe, obwohl Assad kein Giftgas mehr hat.

    http://www.heise.de/tp/artikel/46/46414/1.html

     

    Mir scheint dieser Artikel hier ist sehr einseitig und verschleiert viel, warum?

  • Eine "Flugverbotszone" ist nichts anderes als Bombenkrieg. In Libyen wurden durch die "Flugverbotszone" 50.000 Zivilisten getötet. Syrien hat 3,5 Mal so viele Einwohner wie Libyen - die Opferzahl wäre daher ebenfalls höher.

    Eine "Flugverbotszone" würde daher die Opferzahl knapp verdoppeln.

    Aus "humanitären Gründen" ist das sicher nicht sinnvoll.

    Daneben würde mit dem Fall von Assad ein Machtvakuum entstehen, welches der IS füllen würde, was zu zusätzlichen Opfern bei der Zivilbevölkerung führen würde - ausser im Norden, wo die Kurden das Machtvakuum auffüllen, sofern sie von der Türkei nicht bombardiert werden.

    Sicherlich ist "Nichts tun" auch keine Lösung. Aber erst einmal so viel Öl ins Feuer giessen bis die scheinbar einzige Lösung aus Bomben besteht, ist sicher schlechter als "nichts tun".

    Für eine ehemals pazifistische Tageszeitung ist ein Plädoyer für einen Angriffskrieg mit 100.000den Toten peinlich bist traurig.

    • 6G
      6120 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Ihre Libyen-Vergleiche sind falsch, weil Sie die damals unmittelbar drohenden Massaker durch das Gaddafi-Regime dabei vollständig ausblenden und deshalb aus der "Flugverbotszone" ein aktives Eingreifen der NATO werden musste.

      Zudem hat z.B. die Flugverbotszone über dem Nordirak zu Zeiten Saddam Husseins keineswegs zu einer "Verdoppelung der Opferzahlen" geführt, sondern vielmehr den Kurden seinerzeit eine relative Autonomie beschert.

      Last but not least: Sie suggerieren selbst, dass Sie keinerlei Lösung anzubieten haben und gestehen ehrlich, dass dies natürlich keine Lösung sei. Genau das teilen Sie mit der Appeasement-Politik der Obama-Administration im Falle Syriens, welche der Entwicklung der syrischen Hölle unter Assad mit Hunderttausenden von Toten, Millionen Flüchtlingen und zahllosen zerstörten Städten und Dörfern tatenlos zugeschaut hat.

      Mit Verlaub - vor was für einer angeblichen "Verdoppelung der Opfer" haben Sie angesichts dieses jetzt schon realen syrischen Infernos eigentlich noch Angst?

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    FLUGVERBOTSZONE JETZT!

     

    Frau Kappert schreibt hier einen sehr klugen Kommentar und ich kann die von ihr im Kommentar klar begründete Forderung nur unterstützen. Die jahrelange Passivität des Westens und insbesondere der USA haben die Teufel Assad und IS dieses Land zu einer Hölle werden lassen, in der vorrangig das Assad-Regime dafür verantwortlich ist, dass Hunderttausende Menschen getötet, Millionen auf der Flucht und zahllose Städte und Dörfer völlig zerstört sind. Die aktuelle Reportage von Hubertus Koch in der ARD http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-weltspiegel-101.html gibt einen Eindruck über das aktuelle Elend Syriens. Und dieser NZZ-Artikel http://www.nzz.ch/international/amerika/nur-60-syrische-rebellen-werden-ausgebildet-1.18576848 zeigt, dass entgegen vieler anderslautender Bekundungen die USA auch aktuell kein Interesse daran haben, die Konfrontation mit dem Assad-Regime zu suchen. Leidtragende dieser faktischen US-Appeasement-Politik sind die bedauernswerten verfolgten Syrer.

  • Noch mehr Gewalt wird die Gewalt in Syrien auch nicht beenden. Das hat leider niemand aus der Geschichte gelernt. Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Zudem frage ich mich wirklich auch, warum man gerade jetzt Assad noch mehr schwächen sollte. Das nutzt am Ende doch nur dem IS und anderen Radikalen.

     

    Um nicht missverstanden zu werden, ich bin bestimmt kein Freund von Assad. Aber bei "Flugverbotszone" sollten bei uns alle die Alarmglocken angehen.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    "Wir schicken Assad Giftgas und er macht alles kaputt"....würde Hagen Rether jetzt sagen.

  • stichwort hell cannon. wieviele sind dadurch massakriert worden? natürlich wieder kein wort dazu.

  • Den größten Genozid seit dem Holocaust verübten die USA an den Vietnamesen, mit 3 bis 4 Millionen Todesopfern durch flächigen Giftgaseinsatz.

  • Eine Flugverbotszone ist nur militärisch durchsetzbar. Militärisch ist man aber seit Kroea in jedem Land, wo man sich eingemischt hat, gescheitert. Und in keinem Land haben sich die Bedingungen durch einen Militäreinsatz des Westens verbessert.

     

    Außerdem: Wer Assad schwächt, stärkt den IS. Was ist besser?

     

    Lächerlich, wenn Linke versuchen, sich die Logik der Falken anzueignen.

     

    Im Übrigen müssen die USA erst ihren Kampfgift-Genozid an den Vietnamesen (3 bis 4 Millionen Opfer, permanent steigend) als solchen anerkennen und aufarbeiten.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Nicht so ganz richtig, mit dem Militäreinsatz in II Weltkrieg in, zumindest Westeuropa haben sich die Bedingungen wesentlich verbessert. Wenn ich süd Korea anschaue, genauso.

  • Während des Vietnamkrieges trugen Kriegsgegner einen “Button” auf der Jacke, auf dem Stand: Fighting for Peace is like fucking for virginity.

    Man könnte diese etwas deftige Metapher auf die Forderung der Autorin nach Krieg aus humanitären Gründen anwenden. Sie fordert eine Flugverbotszone und eine militärische Intervention. Beide Forderungen bedeuten, dass die USA und ihre Verbündeten einen 4. Golfkrieg führen müssten. Hier sind meine Argumente:

     

    Die Autorin verweist auf den erfolgreichen Schutz durch die Flugverbotszone, die die USA und GB nach dem zweiten Golfkrieg über dem Gebiet der Kurden im Norden und der Shiiten im Süden des Iraks eingerichtet hatten. Der Vergleich passt nicht. Während des Luftkrieges zu Beginn des 2. Golfkrieges (Desert Storm) hatten die Amerikaner und ihre Alliierten in tagelangen Bombardements (4000 Lufteinsätze pro Tag) u.a. die gesamte Irakische Luftverteidigungs- und Angriffsfähigkeit zerschlagen. So haben sie über dem Irak totale Luftherrschaft hergestellt und konnten ohne Gefährdung die Flugverbotszonen durchsetzen.

     

    Die militärische Intervention, die die Autorin verlangt, müsste in einer ähnlichen Größenordnung durchgeführt werden, wie der 3. Golfkrieg 2003. Gegen die syrischen Streitkräfte wird man ihn schnell und leicht gewinnen. Nur, für das Danach gibt es keine militärische Lösung, wie die Interventionen in Afghanistan und im Irak gezeigt haben.

     

    Mein Vorschlag wäre eine „Zerometrische Kriegsführung“. Wer wissen möchte, was das ist, kann bei mir darüber lesen. hatetepe://http://www.kamus-quantum.com/19.html

    • @Ulrich Scholz:

      "Nur, für das Danach gibt es keine militärische Lösung, wie die Interventionen in Afghanistan und im Irak gezeigt haben."

       

      Für Danach fehlt es nicht an der militärischen, sondern an der politischen Lösung. Und die kann man den betroffenen Ländern nicht aufzwingen.

  • Der Vollständigkeit halber: das Problem liegt nicht in einer Halbherzigkeit der USA, sondern darin, dass Assad ein Protegé Russlands ist. Die Lösung liegt daher in Moskau.

    • @Trango:

      Und Putin ist natürlich nicht an einer Lösung interessiert, so lange zumindest bis Assad neue Waffen von Russland kaufen kann und keine Flüchtlinge Richtung Russland ziehen...

  • "Die Autorin Ines Kappert war bis Ende Juli 2015 Leiterin des taz-Meinungsressorts..."

     

    Darf man fragen, in welcher Funktion Sie diesen Kommentar geschrieben haben ? Als (Noch-) Ressortleiterin, wie es der Bildtitel rechts suggeriert ?

    Oder schon als Gastkommentatorin und Angestellte (Lobbyistin ?) der Heinrich-Böll-Stiftung ?

     

    Macht für mich schon einen Unterschied, ob die taz oder die HBS sich für einen Krieg (und dafür ist Flugverbotszone nur ein anderes Wort) mit Syrien einsetzt.

  • Der Vorschlag einer Flugverbotszone kommt 250.000 Tote zu spät. Und wer sollte sie durchsetzen - die Bundeswehr?

    • @Richard Kotlarski:

      Eine Flugverbotszone ist ohne Bodentruppen ohnehin nicht umsetzbar, es sei denn, man begnüge sich mit Symbolpolitik, um wenigstens jene zufriedenzustellen, die keine Ahnung haben.

  • Ja genau diese Forderung ist notwendig.

    Verbunden mit vielen weiteren Maßnahmen.

     

    Auf jeden Fall ist es anderen Staaten möglich, die Positionen der Hubschrauber zu ermitteln, die Fassbomben abwerfen und aller anderer Flugzeuge.

    • @nzuli sana:

      Und was machen Sie, wenn Sie diese Positionen ermittelt haben?

  • "Heute ist Kurdistan der einzige funktionierende Landesstrich in diesem Land – und die Flugverbotszone, eingerichtet ebenfalls inmitten des Golfkrieges, war die Voraussetzung dafür."

     

    stimmt so nicht ganz - die kurdische Region blieb von den gescheiterten Versuche der USA, die schiitischen und sunnitischen Milizen im Irak zu entwaffnen, den daraus entstehenden Vertreibungen und Bürgerkriegszuständen verschont.

    Insofern, und angesichts des Interesses der USA und anderer, ISIS klein zu halten, würde eine Flugverbotszone für die syrische Luftwaffe aktuell wahrscheinlich dazu führen, dass die syrischen Truppen rapide an Boden gegen syrische Rebellen, aber eben auch gegen ISIS verlieren. Wie das im Sinne der nicht-sunnitischen syrischen Bevölkerung ist, ist mir nicht klar.

     

    "Der aber lässt sich nur eindämmen, wenn das Regime verhandelt und aufhört, die Bevölkerung zu massakrieren." erklärt das auch nicht - warum wird ISIS geschwächt, wenn die syrische Führung am Verhandlungstisch sitzt?